LAPP

Im Bereich der Kabel und Verbindungslösungen kommen vor allem fünf verschiedene Kunststoffe zum Einsatz: PVC (Polyvinylchlorid) ist ein Allroundtalent, das gut mit Additiven modifizierbar ist und sich vor allem durch Flammwidrigkeit und Flexibilität auszeichnet. TPE (Thermoplastische Elastomere) sind sehr dehnfähig und medienbeständig. Polyamide kommen mit ihrer Temperaturbeständigkeit bei UL-Zertifizierungen und im Stecker-Bereich zum Einsatz und strahlenvernetztes Polyethylen (PE) bei Photovoltaik und Schienenfahrzeug-Produkten. LAPP verfügt über rund 40.000 Produkte im Portfolio. Hierfür hat der führende Anbieter von integrierten Lösungen und Markenprodukten im Bereich der Kabel- und Verbindungstechnologie über 400 verschiedene Kunststoffcompounds freigegeben. Tatsächlich gibt es zahllose Varianten auf der Welt, je nach Einsatzgebiet.

 

Kunststoffe bestehen aus Polymeren sowie Additiven und werden heute meist aus Erdölprodukten gewonnen. Sie bestehen aus langen Kohlenstoffketten und sind wegen ihrer Eigenschaften (nicht-rostend, wasserfest, extrem haltbar, flexibel, isolierend) besonders vielseitig verwendbar. So kommt es bei der Ummantelung von Kabeln vor allem auf optimale Schmelzbarkeit (Thermoplaste) für den Einsatz in der Extrusion sowie auf spezielle Eigenschaften des abgekühlten und dabei fest gewordenen Mantelmaterials an. In der Forschung geht es dabei um die Fragen, wie man diese Eigenschaften beeinflussen kann und wie man den optimalen Werkstoff für das jeweilige Kabel findet. Eine wichtige Rolle dabei spielen die Additive: Durch die Kombination von Polymeren mit geeigneten Additiven kann das Eigenschaftsspektrum erweitert werden. Geschickt gewählte und eingebrachte Additive schützen die Mantelwerkstoffe vor Abrieb, erleichtern die Verarbeitung in Schmelzeform, machen den Werkstoff resistenter gegen thermische und UV-Einflüsse oder verbessern den Flammschutz. So werden sowohl beim IKT als auch bei LAPP immer wieder neue Compounds hergestellt und getestet, um einen optimierten Kunststoff zu erhalten. Zudem ist stetes Ziel der Werkstofftechnik auch die Vorhersagbarkeit des Werkstoffverhaltens im Gebrauch. Hierzu wird an der Übertragbarkeit von zeitraffenden Versuchsbedingungen auf den praktischen Einsatz hin geforscht. In aufwändigen Messmethoden werden auch die Fließeigenschaften ermittelt. Das ist beispielswiese vor der Extrusion sehr wichtig, um Instabilitäten in der Produktion zu verhindern. Beim IKT wird aber auch ganz genau erforscht, welche Additive ein bestimmtes Verhalten verbessern können. Beim Flammschutz kommen beispielsweise spezielle Füllstoffe zum Einsatz, die Hitze absorbieren, aber zugleich die Fließeigenschaften verschlechtern. Beim UV-Schutz werden Radikalfänger verwendet und bei der Viskosität optimieren Wachse das Fließverhalten.

Forschung für die Praxis

Das Forschungsspektrum des IKT ist riesig. Ganz aktuell wird am mechanischen Recycling des Biokunststoffs PHB geforscht. Hier werden geeignete Additive im Doppelschneckenextruder hinzugefügt und reagieren mit dem PHB. In einem anderen Forschungsprojekt geht es um den steigenden Bedarf an Hochleistungskunststoffen, vor allem im Bereich der Elektromobilität. Hier werden zur Verbesserung der Medien-, Hydrolyse- und Temperaturbeständigkeit Stabilisatoren eingesetzt, die allerdings schwer recyclebar sind, außerdem verschlechtert in der Praxis oft die Zugabe von Glasfasern die Alterungseigenschaften. Das IKT arbeitet an der Synthese eines neuartigen Stabilisators auf Basis hochpolymerer organischer Amine und der Entwicklung einer geschickten Aufbereitungsstrategie für die neuen Stabilisatoren.

Um eine Maschine, das Werkzeug oder den Verarbeitungsprozess effizienter zu machen, müssen sie in ihrem Zustand zunächst hinreichend genug beschrieben werden. Manchmal ist es erforderlich, hierfür geeignete Messmittel und -methoden erst zu erfinden. Um das Verhalten von Maschine und Werkzeug im Prozess vorhersagen zu können, wird am IKT an modellhaften und möglichst universell einsetzbaren mathematischen Beschreibungen des jeweiligen Prozesses geforscht, um diesen wirklichkeitsnah – und besser als in kommerziellen Simulationsprogrammen – vorhersagen zu können. Verarbeitungsverfahren und Kunststoffauswahl sind also wichtige Faktoren. Bei der Kabelherstellung verarbeitet man den Kunststoff meist mittels Extrusion. Hier ist eine hohe Viskosität gefordert. So wird beim IKT nicht nur an hochleistungsfähigen Einschneckenextrudern sondern auch an der Modifikation von Polymeren zu hohen Viskositäten hin geforscht.

Bei der Herstellung von Steckverbindern wird hingegen das Spritzgießverfahren verwendet. Dafür sind exakte Kavitätsformen, eine eher niedrige Viskosität und besonders feine Strukturen nötig. Hierzu wird am IKT beispielsweise an der Materialeffizienz von wärmeleitfähigen Kunststoffen oder an der Messung der Fließeigenschaften innerhalb der Maschine (Stichwort „Industrie 4.0“) geforscht.

Ein Produkt aus Kunststoff kann leistungsfähiger gemacht werden, z. B. indem es mehrere Funktionen zugleich erfüllt oder die bisher erfüllte Funktion bei anspruchsvolleren Randbedingungen. Hierzu müssen zunächst der Produktzustand bestimmt und ggf. an Messmitteln und -methoden geforscht werden. Mit Hilfe von Werkstoffgesetzen wird an der Vorhersagbarkeit des Produktverhaltens geforscht, besonders zur Lebensdauervorhersage unter verschiedenen Betriebszuständen. Mit Hilfe von Berechnungen wird das Bauteilverhalten simuliert und mit ausgewählten Versuchen validiert. Bei Kabeln geht es dabei um Fragen, welchen Umgebungsbedingungen es ausgesetzt ist. Öl- und UV-Beständigkeit oder wie viele Wechselbiegezyklen ein Kabel in einer Schleppkette schadlos übersteht. Oberste Devise bei LAPP ist eine möglichst hohe Lebensdauer der Produkte, was stark zur Nachhaltigkeit beiträgt.

IKT & LAPP arbeiten eng zusammen

Für LAPP ist das IKT ein kompetenter Partner für alle Kunststoff-Themen. Das Institut betreibt nicht nur Grundlagenforschung, sondern auch anwendungsnahe Entwicklungsprojekte. Es deckt alle Bereiche der Kunststofftechnik ab, vom Rohstoff bis zum Bauteil und dessen Lebensdauer, und verfügt über ein umfassendes Verständnis der verschiedenen Bereiche wie Compounding und Verarbeitung. Und auch LAPP beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit der Optimierung der Werkstoffe und verfügt über ein großes Kunststoffwissen. Das Unternehmen kennt und versteht die gesamte Wertschöpfungskette vom Rohstoff bis zum Endprodukt, denn nur durch ein perfektes Zusammenspiel aller Komponenten lassen sich so maßgeschneiderte Lösungen verwirklichen. Dr. Silvia Lajewski, die ihre Doktorarbeit am IKT zum oben genannten Thema Recycling von PHB geschrieben hat, ist jetzt globale Ansprechpartnerin für Kunststoff-Entwicklungsthemen bei LAPP. Damit ist sie die „Spitzenköchin“ für maßgeschneiderte Kunststoffe. Bis vor kurzem war LAPP in erster Linie Kunststoffverarbeiter und kaufte die benötigten Mixturen bei großen namhaften Herstellern. Seit gut einem Jahr betreibt LAPP eine eigene Compoundieranlange mit zwei Fertigungslinien, um die benötigten PVC-Compounds als Granulate vor allem für die Produktionsstandorte in Asien herzustellen. Eine weitere Linie mischt Spezialcompounds wie halogenfreie Leitungen für den Brandschutz. Durch die Stärkung des Compounding bei LAPP wächst das Know-how über die Zusammensetzung der eingesetzten Kunststoff-Compounds. Dies eröffnet neue Möglichkeiten für den Einsatz von Spezialcompounds für Sonderleitungen, aber auch allgemein für eine optimale Werkstoffauswahl bei allen Leitungen. Damit wagt sich LAPP – rückwärts entlang der Wertschöpfungskette – in einen neuen Industriezweig vor mit ganz anderen Herausforderungen an Personal und Equipment als bei der Kabelproduktion. Aber auch eine eigene Anlage für Strahlenvernetzung in Indien erhöht die Fertigungstiefe und Kompetenz bei LAPP. Hinzu kommen weltweite Test- und Prüfzentren. So wurde kürzlich in Italien am Produktionsstandort von Camuna Cavi ein Brandversuchslabor eröffnet, um die Brandeigenschaften nach vorgeschriebenen Normen zu prüfen. Weitere Testzentren für mechanische Prüfungen (Zugfestigkeit, Temperaturbeständigkeit, Biegefähigkeit,…) und chemische Analytik befinden sich in Stuttgart, Korea, China und den USA. Zudem hat LAPP einen „Tech Council Compound“ gegründet, wo sich 30 Experten aus der ganzen LAPP Welt alle zwei Monate über konkrete Projekte austauschen. Dr. Susanne Krichel, verantwortlich für die globale Forschung- und Vorausentwicklung, forciert die Entwicklung nachhaltiger Produkte. Ganz aktuell arbeiten die Entwickler von LAPP an biobasierten Kunststoffen für EPIC® Stecker und SKINTOP® Verschraubungen.