„Stehe früh auf, arbeite hart, stoße auf Öl.“ Mit diesem kurzen Merksatz hat Öl-Milliardär John D. Rockefeller einmal sein Erfolgsrezept beschrieben. Die Frühschicht, die sich gerade auf der Ölbohrplattform in der Nordsee vor Norwegen aus den Federn quält, kennt solche Sprüche. Milliardär wird hier niemand, obwohl der Verdienst verglichen mit Jobs an Land sehr lukrativ ist. Drei Wochen arbeiten am Stück, drei Wochen Heimaturlaub – für viele ist das ein attraktives Modell. Auch wenn die Kumpel kurz fluchen, wenn sie die Schleuse zur Plattform öffnen und der Wind herein pfeift. Die Luft ist heute trocken, das macht die Arbeit gefährlicher als sonst. Denn dann laden sich Kunststoffe elektrisch auf, das kann zu Funken führen, und was das bei Öldämpfen bedeuten kann, will sich niemand ausmalen. Zum Glück sind alle technischen Einrichtungen geerdet, damit die Ladungen schnell abfließen – sogar bei der Arbeitskleidung und besonders bei den Schuhen werden Modelle verwendet, die Aufladungen verhindern. Vor einigen Wochen waren Kollegen eines norwegischen Spezialunternehmens für Bohrtechnik hier und haben eine neue Versorgungsleitung von LAPP installiert, die sich ebenfalls nicht auflädt. Seither fühlen sich die 500 Personen auf der künstlichen Insel ein wenig sicherer.
Gefährliche Funken
Schon das Reiben zweier Gegenstände kann eine Zündung des schwarzen Goldes oder Dämpfe in der Luft auslösen. Wie leicht so etwas passiert, erleben wir im Winter in geheizten Räumen. Beim Händeschütteln oder beim Griff an eine Türklinke zuckt ein Blitz in die Handfläche und lässt einen zurückschrecken. Besonders spektakulär ist das Phänomen, wenn man im Dunkeln einen Synthetikpullover über die Haare zieht; dann kann man ein regelrechtes Blitzgewitter beobachten. Dabei treten erhebliche Spannungen auf: Erst über 2.000 Volt nehmen wir die Ladung wahr, beim Laufen über einen Teppichboden in einem beheizten Raum lädt sich die Haut mitunter sogar bis zu 30.000 Volt auf. Das ist unangenehm, aber nicht gefährlich, es sei denn explosive Stoffe wie Öl, Gas, aber auch Holz- und Mehlstaub sind in der Nähe. Dann kann so eine elektrostatische Entladung eine Katastrophe auslösen – wie 1937 beim Brand des Luftschiffs Hindenburg, als ein Funke der elektrostatisch aufgeladenen Hülle das Wasserstoffgas im Inneren zur Explosion brachte.
Auch Kabel sind potenzielle Gefahrenherde. Ihr Mantel kann sich durch Reibung aufladen und schlagartig entladen. Die Ladungsträger sammeln sich auf Kabeln oder auf anderen schlecht leitenden Gegenständen meist durch Reibungselektrizität. Das hängt von der Ableitfähigkeit ab. Diese sollte möglichst hoch sein, damit die Ladungsträger auf der Oberfläche des Objekts – hier auf dem Kabelmantel – möglichst schnell an die Luft abgegeben werden. Die Versorgungsleitung von LAPP, die auf Ölbohrplattformen des norwegischen Herstellers Aker Solutions zum Einsatz kommt, ist daher mit einem antistatischen Mantel ausgerüstet – es ist die erste ihrer Art weltweit. Sie ist kein Kabel im engeren Sinn, sondern vielmehr ein Mantel, der ein ganzes Bündel unterschiedlicher Leitungen enthält. Insgesamt ist dieses Bündel 18 Zentimeter dick und eine Spezialanfertigung, die es so nicht als Standardprodukt gibt.
Geheime Zutat
Das Geheimnis des antistatischen Kabels steckt in seinem Mantel. Der besteht aus einem Kunststoff mit einem Additiv, das die Leitfähigkeit erhöht. Die Befürchtung, darunter könnte die elektrische Isolation des Kabels leiden, ist unbegründet. Die Isolation der Leiter erfolgt immer über den Isolator, der den Leiter umhüllt. Der äußere Mantel eines Kabels hat keine isolierende Wirkung, sondern dient dem mechanischen Schutz, etwa gegen Öl, Chemikalien oder wie in diesem Fall gegen Bohrschlamm sowie bei Biegung, Torsion und Reibung. Worum es sich bei dem Additiv genau handelt, ist Betriebsgeheimnis, insbesondere auch der aufwändige Prozess, in dem das Additiv in der richtigen Menge und Durchmischung dem Kunststoff beigegeben wird. Kompliziert war die Entwicklung vor allem, weil es nicht reicht, die oben genannten Voraussetzungen zur Vermeidung von Zündgefahren zu erfüllen, sondern auch die NEK 606, eine besonders strenge Norm, die Eigenschaften von marinen Kabeln und den Schutz gegen Bohrschlamm regelt. Beide Eigenschaften zu vereinen, ist die eigentliche Innovation.
Auszug unserem KatalogBeständig gegen Öl- und Bohrflüssigkeit |
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Mit dem neuen Kabelmantel haben es die Konstrukteure der Plattformen nun merklich leichter, weil aufwändige Schutzmaßnahmen entfallen können. Das gilt auch für andere Industriezweige, in denen Explosionsgefahr ein Thema ist, etwa in der holzverarbeitenden Industrie, wo Holzstaub eine Gefahr darstellt, oder bei der Verarbeitung von Mehl in der Lebensmittelbranche.
Video: © LAPP Norway (Miltronic) – speziell entwickelte Kabel für die Schleppkette für Bohrinseln und Offshore