Den Satz „Der Mittelstand ist das Rückgrat der deutschen Wirtschaft“ würde Rainer Kirchdörfer nie unterschreiben, obwohl er seit 30 Jahren mittelständische Unternehmen berät. „Die Formulierung Familienunternehmen würde viel besser passen“, sagt der Jurist und Vorstand der Stiftung Familienunternehmen. Denn inhabergeführte Firmen sind krisenfester, erfinderischer und langfristig erfolgreicher als anonyme Konzerne. Natürlich nur, wenn immer alles reibungslos klappt bei der Übergabe von Unternehmergeneration zu Unternehmergeneration – Kirchdörfers Fachgebiet.
Trotz seiner Erfahrung liegt in Kirchdörfers Schreibtischschublade kein Patentrezept für den Übergabeprozess. „Best Practice ist im Rahmen der Unternehmensnachfolge kein praktikabler Ansatz, es kommt immer auf den Einzelfall an“, erzählt er. Denn eine Unternehmensübergabe ist ein Balanceakt zwischen den Erwartungen der älteren Generation und den Visionen der jüngeren, zwischen Beständigkeit und Veränderung und zwischen familiären und unternehmerischen Interessen. Gut umgesetzt entspringt aus ihr eine schöpferische Erneuerung, die das Fundament der Firma nur noch fester zementiert. Auf dem Weg warten dabei aber viele Fallstricke.
Kirchdörfers goldene Regel, um den größten Fallstrick, eine ungeordnete Übergabe durch unvorhersehbare Ereignisse, zu umgehen: Sich frühzeitig Gedanken machen und den Generationenwechsel rechtzeitig einleiten. So geschehen bei der Übergabe bei LAPP. Die Familie hat sich damit vor allem Zeit verschafft: Für die jüngere Generation, um sich in jeder Hinsicht auf ihre künftige Rolle als Manager und als Gesellschafter in einer langen unternehmerischen Tradition vorzubereiten. Für die ältere Generation, um ihren Ruhestand gut überlegt zu planen und sich alternative Interessen aufzubauen, die das Loslassen leichter machen.
„Die Nachfolge gelingt dann am besten, wenn die Energie und die Risikofreudigkeit der Jugend mit der Erfahrung und der langfristigen Denkweise der Übergebenden in Einklang gebracht werden kann“, erklärt Kirchdörfer. Deshalb muss für die Seniorgeneration Abtritt nicht gleich Abschied heißen. Modelle, bei denen die ältere Generation ihren Nachfolgern im Aufsichtsrat beiseite steht, sind Erfolgsgaranten. Aber nur, wenn beide Generationen auf unternehmerischer Ebene ein professionelles Verhältnis zueinander finden. Die einen müssen das Reinregieren lassen, die anderen die Beratung akzeptieren. „Das fällt in der Regel leichter, wenn beide Seiten vorher ihre neuen Rollen genau definieren und man den Nachfolgern klare Erwartungen mitgibt“, sagt Kirchdörfer. Die Erwartungen sind ein Leitfaden für die nächste Generation, dürfen ihr aber nicht den Freiraum zur Umsetzung ihrer Ideen und Visionen nehmen. Sonst verpufft die Chance auf eine schöpferische Erneuerung. Das bedeutet auch, dass bei jeder Übergabe die gesamte Struktur des Unternehmens in der Familie auf den Prüfstand gestellt, diskutiert und im Hinblick auf die Bedürfnisse der Nachfolgegeneration angepasst werden muss – individuell und abhängig vom Einzelfall. Denn ein Patentrezept, gibt es auch hierfür nicht.
Mehr zum Thema gibt es unter: www.familienunternehmen.de