LAPP
Rohr am Meeresgrund
Bereits heute gibt es auf dem Grund der Ozeane ein umfassendes Netz an Unterwasser-Telekommunikationskabeln.

Das ambitionierte Forschungsprojekt heißt FOCUS. Mehrere Universitäten in Frankreich, England, Italien und Deutschland sowie private Unternehmen haben sich hier zusammengeschlossen, um die Möglichkeit einer Glasfaserüberwachung von aktiven Störungen am Meeresboden zu untersuchen. Eines der Privatunternehmen ist die französische Firma IDIL Fibre Optics, die sich auf Laser- und Glasfasertechnologien spezialisiert hat. LAPP hat im Auftrag von IDIL dafür eine maßgeschneiderte Sonderleitung entwickelt.

Grundidee der Forscher war, für die Seebebenvorhersage die sogenannte optische Laserreflexometrie (Brillouin Optical Time Domain Reflectometry/ BOTDR) anzuwenden. Diese wird normalerweise zur Überwachung von Brücken oder Dämmen genutzt. Als Forschungsobjekt nahm man sich den Meeresboden rund 26 Kilometer vor Catania in Sizilien vor. Denn dort verläuft auch ein Telekommunikationskabel und unweit davon befindet sich der Ätna, der mit 3.357 Metern der höchste aktive Vulkan Europas ist. Mit Hilfe des von LAPP entwickelten Kabels, zahlreichen geodätischen Instrumenten und seismologischen Stationen wurde auf sechs Kilometern Länge und in 2.100 Metern Tiefe die Belastung des Telekommunikationskabels vor der Küste Siziliens kalibriert. Langfristiges Ziel ist die Entwicklung von Telekommunikationskabeln, die tektonische Veränderungen automatisch mitmessen.

Bereits heute gibt es auf dem Grund unserer Ozeane bereits ein rund eine Million Kilometer umfassendes Netz an Unterwasser-Telekommunikationskabeln. Würde man diese entsprechend anpassen, könnte man ein riesiges seismologisches Überwachungsinstrument schaffen, womit plötzliche Verformungen in der Tiefsee nahezu in Echtzeit erkannt werden. Um die Optionen und Herausforderungen zu erforschen, hat der Europäische Forschungsrat ERC das Projekt FOCUS (Fiber Optic Cable Use für Studien zur Erdbebengefährdung und -verformung am Meeresboden und Verformung) angestoßen. Das mit über 3,5 Millionen Euro geförderte Projekt wurde im Herbst 2018 gestartet und soll 2025 abgeschlossen werden.

Glasfaserkabel können seismologische Daten sammeln

Durch die Installation verteilter Brillouin-Sensoren wäre es möglich, alle Unterwasserbewegungen wie z. B. Verformungen zu verfolgen. Das Projekt würde den Telekommunikations-Glasfaserkabeln einen doppelten Nutzen verleihen. Die hohe Empfindlichkeit von Glasfaserkabeln würde es nämlich ermöglichen, Daten über Erdbeben zu sammeln, die in der Mitte des Ozeans beginnen und zu schwach sind, um von den derzeitigen seismologischen Land- und Seestationen aufgezeichnet zu werden.

Bei der optischen Laserreflektometrie handelt es sich um ein Verfahren zur Ermittlung und Analyse von elektromagnetischen Wellen und Signalen im Wellenbereich des Lichts. Dabei wird ein Laserpuls der Dauer von 3 ns bis 20 µs in einen Lichtwellenleiter geschossen und das Rückstreulicht über der Zeit gemessen. Wenn das Kabel durch Dehnung oder Temperaturschwankungen gestört wird, ändern sich auch die Messdaten an der betreffenden Stelle. Die Forscher wollen im FOCUS-Projekt nachweisen, dass diese Technik kleine ein bis zwei Zentimeter umfassende Verschiebungen am Testgelände vor der Küste Siziliens messen kann.

Das französische Privatunternehmen IDIL fiber optics ist für die Laserreflektometriemessungen verantwortlich. Die geodätischen Stationen am Meeresboden tauschen regelmäßig Daten aus, auch die Schallgeschwindigkeit im Wasser wird kontinuierlich gemessen. Zudem sind die Stationen mit Drucksensoren und Neigungsmessern ausgestattet, um sicherzustellen, dass es sich bei den aufgezeichneten Bewegungen nicht zu Verschiebungen eines einzelnen Instruments kommt.

LAPP hat für das FOCUS-Projekt ein Unterwasser-Dehnungsmesskabel entwickelt. Dieses Kabel wird 20 cm tief im Boden des Meeres verlegt, um seine Stabilität zu gewährleisten. Es besteht aus 10 optischen Singlemode-Fasern, Kupferleitern und 2 optischen Trisens-Kabeln mit Edelstahlrohr, die zum besseren Schutz von TPU- und Polyurethanmänteln umgeben sind. Dieses für anspruchsvolle Umgebungen konzipierte Kabel bietet robuste elektrische Eigenschaften und eine hohe mechanische Beständigkeit, einschließlich eines Betriebstemperaturbereichs von -30 bis +80°C und einer maximalen Zugkraft von 1500 daN. Dieses Kabel ermöglicht somit einem Labor die Datenübertragung zur Messung in Echtzeit.

Die Entwicklung des Kabels war herausfordernd, denn in einer Tiefe von 2000 Metern kann der Druck die strukturelle Integrität von Kabeln und Sensoren beeinträchtigen. Zudem können Temperaturschwankungen, die oft sehr gering sind, Verformungsmessungen und das dielektrische Verhalten von Kabeln beeinflussen. Auch die Verlegung im Meeresboden ist aufwändig. Tiefseeeinsätze erfordern spezielle Forschungsschiffe und ROVs (ferngesteuerte Fahrzeuge). Und es muss sichergestellt werden, dass das Kabel trotz Meeresströmungen und anderer Unterwasseraktivitäten an seinem Platz bleibt.

 

LAPP bietet Komplettlösung

Loic Rampi, verantwortlich für Technology & Business-Entwicklung bei LAPP: „Der Kunde IDIL benötigte zunächst von uns einen komplexen Prototyp eines ein Kilometer langen Kabels. Und wir waren in der Lage eine Komplettlösung anzubieten, die Produktentwicklung, Produktion, Integration und Qualifizierung umfasst.“ Die Herausforderung war, dass das Team von LAPP ein komplett neues Produkt entwickeln musste, bei dem hochempfindliche optischer Fasern in das Kabel integriert werden mussten. Der Entwicklungsprozess erstreckte sich über einen Zeitraum von einem Jahr. Die entwickelte Lösung bietet mehrere Vorteile: Das Kabel fungiert auf seiner gesamten Länge als empfindlicher Sensor, der eine kontinuierliche und präzise Überwachung ermöglicht. Für den Markt eine kleine Revolution, denn solch eine Technologie kam bisher noch nicht zum Einsatz.

Die Vision ist nun, in Zukunft eine neue Generation von Hybridkabeln aus Telekommunikationsfasern und Sensoren zu entwickeln und sie zum neuen Standard zu machen. Damit könnten Telekommunikationskabel gleichzeitig zur Überwachung von Bewegungen auf dem Meeresboden weltweit eingesetzt werden. Ist das Projekt erfolgreich, könnten die 70 % der Erdoberfläche, die mit Wasser bedeckt sind, als ein gigantisches seismologisches Netzwerk dienen.