
Was ist Ihre früheste Erinnerung an das Unternehmen LAPP?
Da muss ich weit zurückdenken. Meine früheste Erinnerung an LAPP ist bei meinen Großeltern zuhause – ich muss so vier oder fünf Jahre alt gewesen sein. Dort hat zu dieser Zeit immer die jährliche Weihnachtsfeier für die Geschäftsführer der LAPP Gruppe stattgefunden – auch nachdem es schon ein Firmengebäude gab.
Dort, am Ursprungsort der LAPP Gruppe, saßen dann in einer ausgebauten Garage und ganz klassisch an Biertischen und später an Stühlen und Tischen alle zusammen. Und wir Kinder mittendrin. Uns wurden dann auch all die Menschen vorgestellt, oft auf Englisch, obwohl wir natürlich noch kein Englisch sprechen oder verstehen konnten. Die Bilder sehe ich noch sehr gut vor mir. Aber ein Verständnis dafür, was da alles dahintersteckte, hunderte von Mitarbeitenden aus den verschiedensten Ländern, das hatte ich natürlich nicht.

Wann haben Sie realisiert, dass Sie in ein großes Familienunternehmen hineingeboren wurden?
Ich würde sagen, meine Kindheit und Jugend verliefen ziemlich normal. Und ich glaube, meine Freunde aus der Zeit würden das auch genau so bestätigen. Selbstverständlich habe ich bemerkt, dass mein Vater sehr viel auf Reisen war. Meinen Eltern war aber vielmehr wichtig, mir eine freie Entwicklung zu ermöglichen: Schule, Kindheit und Leben im Fokus. Das Unternehmen hat zu diesem Zeitpunkt noch keine große Rolle für mich gespielt.
Und wir müssen uns auch bewusst sein: LAPP ist seit dieser Zeit enorm gewachsen und war damals im Umkehrschluss noch nicht so groß wie heute. Uns hat es an nichts gefehlt, aber meine Familie hat das meiste Geld gleich wieder ins Unternehmen reinvestiert – das hat sich aus heutiger Sicht natürlich auch ausgezahlt. Verändert hat sich das erst, als ich begonnen habe zu studieren.
Als ich ungefähr dreizehn Jahre alt war, gab es aber auf jeden Fall einen Wow-Moment: LAPP richtet seit ungefähr 30 Jahren ein internationales Fußball- und Volleyballturnier für alle Mitarbeitenden aus. Das Event findet jedes Jahr am Standort einer anderen Landesgesellschaft statt und ist seit jeher ein Höhepunkt im Kalender. Als ich dort das erste Mal dabei war, habe ich gesehen und erstmals verstanden, wie viele Menschen auf der ganzen Welt bei meiner Familie arbeiten.
Sie haben mehrfach betont, dass es Ihr größtes Ziel ist, einmal ein gesundes Unternehmen an die nächste Generation zu übergeben. Was bedeutet das für Sie und wie wollen Sie das angehen?
Es ist allgemein bekannt, dass die dritte Generation in Familienunternehmen oft vor besonderen Herausforderungen steht. Da schwingt eine gewisse Entfremdung vom Unternehmen mit, denn oft waren es die Vorgängergenerationen, die vieles schon aufgebaut haben. Aufgrund der schieren Größe der Gruppe kann man dann nicht mehr die Übersicht über jedes Detail haben. Mein Onkel und Vater haben fast jede Auslandsgesellschaft mitgegründet. Sie hatten ein ganz anderes Wissen über die Historie von LAPP.
Es ist herausfordernd, auch nur das zu erhalten, was die zweite Generation bei LAPP an uns übergeben hat. Aber vielleicht schaffen wir es sogar, noch eine Schippe draufzulegen? Das habe ich mir zum Ziel gesetzt. Dabei ist es mir wichtig, in allem, was wir tun, die richtige Balance zwischen Stabilität und Risiko zu finden.
Umsatz um jeden Preis zu erzielen mit dem Risiko, abhängig von zu Banken werden? Nein danke. Mit viel Geld auf kurzfristige Trends aufspringen? Ebenfalls nein. Aber wenn wir weiterhin nah am Kunden bleiben, kritisch denken und mit unserem starken, globalen Team gute Entscheidungen treffen, dann kann und wird LAPP mit uns und in Zukunft noch sehr viel wachsen. Davon bin ich überzeugt.
Wie möchten Sie den Generationenübergang als Vater von zwei Kindern angehen?
Für meine Kinder darf LAPP niemals zur Einschränkung oder lästigen Pflicht werden. Ich möchte, dass sie so freiheitlich wie möglich aufwachsen und ihren Interessen nachgehen können. Sie sollen einfach all die Dinge ausprobieren, die ihnen Spaß machen. Als Eltern sind wir in der privilegierten Situation, dass wir ihnen dabei vieles ermöglichen können.
Das ist mir sehr wichtig, denn ich bin der festen Überzeugung, dass man nur gut in etwas sein kann, wenn man daran Spaß hat. Zwang führt niemals zu Spaß. Mir macht es Spaß, das zu tun, was ich tue. Deswegen gehe ich gerne zur Arbeit und erdulde auch die Einschränkungen meines Jobs: herausfordernde Situationen, lange Tage, viele Reisen. Das kann ich aber nicht von jedem gleichermaßen erwarten. Das haben meine Eltern uns gut vorgelebt und das ist mir nun auch für meine eigenen Kinder sehr wichtig.
Was möchten Sie Ihren Kindern mitgeben? Würden Sie etwas anders machen als Ihre eigene Vorgängergeneration?
Ich möchte ein prosperierendes, gut aufgestelltes Unternehmen übergeben mit dem Tüpfelchen auf dem i, vielleicht ein bisschen mehr zu übertragen als das, was wir heute schon haben. Werte sind mir wichtig. Ich würde gerne den Mut übergeben, den man als Unternehmer braucht, wenn man beispielsweise auch in schwierigen Situationen Entscheidungen treffen muss. Es ist wichtig, Entscheidungen treffen zu können – auch wenn sie sich im Nachhinein einmal als falsch herausstellen. Das ist immer besser als ein Stillstand. Wichtig finde ich auch, immer wissbegierig zu bleiben und lebenslang lernen zu wollen. Diese Fähigkeiten brauchen wir, um uns und unsere Umwelt weiterzuentwickeln, neue Wege zu gehen oder Technologien zu finden oder zu optimieren.
Mein Vater und mein Onkel haben die Übergabe für uns sehr gut ausgestaltet und es uns leicht gemacht, Verantwortung und Aufgaben zu übernehmen. Auch im Vergleich mit vielen anderen Familienunternehmen ist uns das wirklich gut gelungen. Ich würde nichts anders machen, sondern mich vielmehr an ihrem guten Vorbild orientieren wollen.


Corona, Weltwirtschaftskrise, Krieg in Europa, Generationenwechsel bei LAPP und gleichzeitig noch die Geburt zweier Kinder – Das waren ganz schön viele Turbulenzen und Ereignisse auf einmal. Mit welchem Gefühl blicken Sie auf die letzten drei Jahre zurück?
Ich blicke vor allem zurück mit der Frage: Werde ich gerade allem gerecht, bzw. bin ich allem gerecht geworden? Ein Kind allein fordert schon 100 % Aufmerksamkeit an einem Tag. Die Arbeit als Vorstandsvorsitzender ebenfalls, denn das Unternehmen schläft ja nicht. Wenn wir in Deutschland schlafen, stehen unsere Kolleginnen und Kollegen in Amerika auf und dann wieder die in Asien. Wichtig war es für mich immer, eine gute Balance zu finden, gut verwurzelt und verhaftet zu sein, sonst hält man in diesen wirklich turbulenten Zeiten und inmitten all der Unvorhersehbarkeiten nicht stand. Einfacher wird es mit der richtigen Lebenspartnerin, insofern gilt der größte Dank meiner Frau, die unglaublich viel leistet. Ohne sie wäre mein Job so nicht möglich. Und generell braucht es Verständnis von den nahestehenden Personen im Leben für die vielen Reisen oder wenn man dann eben doch mal aufgrund der hohen Belastungen angespannt ist.

Doppelrolle Vorstandsvorsitzender und CEO EMEA: War das in Summe eine große Belastung? Wie leicht ist es Ihnen gefallen, die EMEA-Verantwortung abzugeben?
Das war auf jeden Fall fordernd und dennoch blicke ich positiv darauf zurück, denn ich habe in dieser Zeit an vielen operativen Themen arbeiten können. Ich habe die Region EMEA sehr gut kennengelernt, war nahe am Geschäft, an den Kunden und an den Herausforderungen. Da von Anfang an geplant war, die Rolle eines Tages abzugeben, ist mir das auch nicht allzu schwergefallen. Wichtig war mir nur, die Aufgaben sauber an einen Nachfolger zu übergeben.
Was es in jedem Fall einfacher macht, ist, zu wissen, dass man gute Leute um sich hat, denen man voll und ganz vertrauen kann. Ich habe die EMEA-Rolle an Michael Seddig in dem Wissen übergeben, dass er sie übernehmen kann und ein guter Sparrings-Partner sein wird. Ich glaube eher, dass andere gar nicht glauben konnten, dass ich mich wirklich komplett aus der Rolle zurückziehe und auch nicht mehr oft auf dem Stockwerk auf der anderen Straßenseite, wo sich das Büro des EMEA-CEOs befindet, zu finden bin.
Protektionismus, Handelskriege, Zölle, Trump: Was bedeutet das für LAPP?
Die weltpolitischen Entwicklungen der letzten Monate bestätigen, dass LAPP und die Familie Lapp schon über Jahrzehnte hinweg den richtigen Weg gegangen sind. Wir haben heute drei starke Regionen, die fast autonom funktionieren können. Lokal für lokal zu entwickeln und zu produzieren und dabei globale Synergien nutzen – das ist aktuell ein echter Vorteil. Wir sind nicht so abhängig von globalen Entwicklungen wie viele andere Unternehmen.
Das gibt uns die Zeit, bedacht auf Situationen zu reagieren und langfristig zu denken. Aktuell ploppen heiße Themen mit viel Karacho auf, kühlen sich aber auch schnell wieder ab. Meine Devise ist: Nicht in blinden Aktionismus verfallen. Jedes Pendel schwingt auch wieder zurück. Wir treffen fundierte Entscheidungen und bereiten uns bestmöglich auf das mittel- und langfristige Szenario vor.
Was sagen Sie Mitarbeitenden, die sich, aufgrund der Welt- und Nachrichtenlage sorgen um ihre berufliche, wirtschaftliche Zukunft?
Ich blicke wirklich optimistisch in die Zukunft: LAPP ist grundsolide aufgestellt, die KPIs und Zahlen sprechen für sich. Wir haben wenig Schulden und eine gute Ausgangsbasis. Wenn wir unsere Märkte anschauen, sehe ich viel mehr Chancen als Risiken. Energie, digitale Kommunikation, Robotik. Solarparks, Rechenzentren, Fabriken. Das sind die großen Märkte der Zukunft. Und sie alle brauchen unsere Produkte und Lösungen.
Aber wir müssen unsere Hausaufgaben machen: Unsere Konkurrenz kommt nicht nur aus Deutschland oder Europa, sondern aus Asien, aus Lateinamerika, aus aller Welt. Der Markt verändert sich. Vielleicht wird China statt Deutschland das neue Land der Maschinen- und Anlagenbauer. Dann müssen wir fähig sein, ihnen die richtigen Produkte zum richtigen Preis anzubieten. Wir müssen Effizienzen heben und die richtigen Strukturen aufbauen, um auch in Zukunft erfolgreich zu sein.

Welche Rolle spielen dabei die aktuellen Diskussionen rund um den Wirtschaftsstandort Deutschland?
Deutschland ist immer noch die drittgrößte Wirtschaftsnation der Welt. Mit nur 82 Millionen Menschen. Das, was wir leisten, ist immens! Unsere Produkte und Dienstleistungen sind Weltklasse. Geographisch sind wir im Zentrum Europas. Wir haben ein kostenloses Bildungssystem, das fast niemand wertschätzt. Darauf müssen wir aufbauen und Veränderungen herbeiführen, um unseren Wohlstand zu erhalten. Dazu braucht es aber Wille und Einsatz. Das gelingt nur wenn alle Bürgerinnen und Bürger zusammen mit der Politik und den Unternehmen an einem Strang ziehen. Wenn unser Wirtschaftsstandort in der Krise ist, können wir zum Beispiel nicht über die 4-Tage-Woche diskutieren.
Global betrachtet war Deutschland der größte Profiteur der Globalisierung, sie hat uns Wohlstand gebracht. Sonst wären wir nie Exportweltmeister geworden. Und deswegen sollten wir auch jetzt dafür kämpfen, dass die globalisierte Welt fortbesteht. Nicht wegen uns selbst, sondern weil wir sehen, dass sie ein Erfolgsmodell ist. Dafür brauchen wir die EU, wir brauchen unsere Bündnispartner, wir brauchen Kooperation und Netzwerke mit all den anderen Ländern. Ich wünsche mir ein Europa, das gemeinschaftlich denkt, statt von Individualinteressen gelähmt zu werden.
Was möchten Sie den Kund:innen und Partner:innen von LAPP mitgeben?
Die Botschaft ist simpel: Wir sind und werden auch weiterhin der verlässliche Partner an der Seite unserer Kunden sein – komme was wolle. Wichtig ist, dass wir weiterhin gemeinsam mit unseren Kunden und Partnern gute Lösungen entwickeln und zu jeder Zeit im Gespräch bleiben, um Herausforderungen als Team anzugehen. Das bedeutet auch: Kommunikation auf Augenhöhe.
Für uns ist es dabei essenziell, dass wir uns gemeinsam mit unseren Kunden und Partnern weiterentwickeln. Nur dann können wir bei LAPP unsere volle Stärke gegenüber unseren Marktbegleitern und auf dem Weltmarkt ausspielen. Nur, wenn wir auf ein gemeinsames Ziel hinarbeiten, egal ob mit Kunden oder Partnern, kommen wir zu fruchtbaren Win-Win-Situationen. Das ist unsere Vision.