LAPP
Das Bild zeigt ein Einstiegsbild für die 22. LAPP-Fachpressetage mit dem Foto des Referenten und themenspezifischen Icons.
Vortrag Martin Guserle, Head of Business Unit EPIC® Connectors, U.I. Lapp GmbH bei den LAPP Fachpressetagen

Zum sicheren Trennen und Verbinden von Leitungen sind und bleiben EPIC® Steckverbinder im Maschinenbau, im Schaltschrank und in Außenanwendungen unverzichtbar. Und es gibt noch viel Luft nach oben. Denn der Trend zur Miniaturisierung macht auch vor den Steckverbindern nicht halt. In vielen Bereichen der Industrie werden die Anwendungen immer kleiner, bei gleichzeitig steigender Leistungsdichte. Diesen Trend müssen auch Steckverbinder mitmachen. Besonders deutlich wird das in der Automatisierungstechnik (IC), die aktuell die Entwicklung in der Industrie wohl entscheidend beeinflusst und vorantreibt. Da in diesem Umfeld Rundsteckverbinder der Größe M12 am häufigsten anzutreffen sind, liegt es nahe, dass die Anforderungen an diesen Stecker ebenfalls steigen müssen.

Um mehr Leistung an die Applikationen zu leiten, werden künftig mehr als die bisherigen 12A Stromstärke benötigt. Eine Leistung von 16A wird zunehmend nachgefragt. Da aber bisherige M12 Steckverbinder schon sehr nahe an die Grenze des Machbaren entwickelt wurden, stellte sich die Frage, wie dieser Leistungszuwachs überhaupt erzielt werden kann.

Warum M12 L – was für den Kunden wirklich zählt

Es gibt bereits einige Hersteller, die über M12 L-kodierte Steckverbinder verfügen. Doch das geht sogar noch besser. Der neue M12 L-kodierte Steckverbinder von LAPP garantiert nicht nur hohe Leistungsdichte, sondern ist noch dazu auch wesentlich kleiner. „Miniaturisierung und hohe Leistungsdichte ohne Einsparungen an der Qualität der Verbindung sind entscheidend, um beim Kunden die Anwendung optimal zu bedienen“, weiß Martin Guserle, Head of Business Unit EPIC® Connectors bei der U.I. Lapp GmbH. Der neue M12 L Steckverbinder nimmt nur 43 % des Raumes der Vorgängertechnologie (7/8″) ein und beansprucht 56 % weniger Platz als das größte Wettbewerbsgehäuse. Zudem ist er zu 100 % PROFINET-konform, verfügt über eine vibrations- und klimabeständige 360°-Schirmung und kann in der ersten Stufe auch mit K-Kodierung ausgeliefert werden (630 V). Hinzu kommt, dass sämtliche von der PROFINET Nutzerorganisation (PNO) definierten Querschnitte möglich sind (0,75/1,5/2,5 mm²).

Der digitale Weg zu neuen Innovationen

Der neue M12 L-kodierte Steckverbinder ist eigentlich, umgangssprachlich gesehen, eine „eierlegende Wollmilchsau“, der alle scheinbar unmöglichen physikalischen Herausforderungen bewältigt, und das im extrem kleinen Gehäuse. Aber wie geht das? Der digitale Zwilling macht’s möglich. „Früher waren die Entwicklungsprozesse viel aufwändiger. Da wurde basierend auf Erfahrungswerten konstruiert und im Anschluss ein Muster gebaut. Dann wurde der Prototyp im Labor getestet und nicht selten stellte man fest, dass noch technische Veränderungen vorgenommen werden müssen. Dieser Prozess wurde oft mehrfach durchlaufen, bis man zum gewünschten Ergebnis gelangt war“, erinnert sich Martin Guserle. Heute wird Geschwindigkeit bei Innovationen immer wichtiger. Je mehr digital am Produkt abgeprüft werden kann, desto schneller sind die Entwicklungszyklen. Physische Muster werden einfach im 3D-Druck-Verfahren erstellt, um Haptik, Optik, Handling sowie Assemblierung in der Produktion und beim Kunden zu verifizieren. „Da Steckverbinder heute weitestgehend vorausgedacht und -berechnet werden, kommen wir zielgerichtet zur technisch besten Lösung und vermeiden dadurch auch die Verschwendung von jeder Menge Ressourcen“, so Martin Guserle.

Das Bild zeigt den neue M12 L-kodierte Steckverbinder
Der neue M12 L-kodierte Steckverbinder

LAPP nutzt aktuell verschiedene Simulationen, um dieses Leistungsplus zu erreichen:

  1. Die Finite-Elemente-Methode (FEM) ist ein allgemeines, bei unterschiedlichen physikalischen Aufgabenstellungen angewendetes numerisches Verfahren. Dabei handelt es sich um eine Festigkeitsuntersuchung von Körpern mit geometrisch komplexer Gestalt, weil sich hier der Gebrauch der klassischen Methoden als zu aufwändig oder nicht möglich erweist. Mit der FEM werden technische Auslegungen berechnet und überprüft, um kritische Stellen am Bauteil konstruktiv richtig dimensionieren zu können.
  2. Berechnung der thermischen Belastung am Beispiel von M12 L. Durch den beengten Bauraum stellt die geforderte 16A Stromstärke eine extreme Herausforderung an das Bauteil dar. Wenn so viel Strom mithilfe bauartbedingt kleinster Kontaktflächen übertragen wird, entsteht Wärme, die im Steckverbinder beherrscht werden muss. Darum werden bei LAPP Neuprodukte „digital“ berechnet, um eine sichere Auslegung gewährleisten zu können. Damit ist sichergestellt, dass die Produkte zuverlässig über die komplette Lebensdauer funktionieren. Auf diese Weise ist es möglich, die absoluten Grenzbereiche sicher zu beherrschen und die maximale Leistungsdichte im kleinstmöglichen Steckverbindergehäuse unterzubringen.
  3. 3D Druck für erste Handling-Muster: Wenn alle Berechnungen und Simulationen abgeschlossen und in die Konstruktion mit eingeflossen sind, erstellt LAPP ein erstes 3D Muster. Dabei handelt es sich um ein reales Muster, an dem Ergonomie, Bauraum und Design beurteilt werden können. Damit ist der Konstruktionsprozess vorläufig abgeschlossen und es beginnt der Prozess der Werkzeugkonstruktion, um die Serienwerkzeuge zur Serienproduktion zu planen und umzusetzen.
  4. Füllsimulationen – Moldflow®: Der auskonstruierte Steckverbinder muss neben seiner Funktion auch noch so aufgebaut sein, dass er prozesssicher herstellbar ist. Die Füllsimulation gibt Aufschluss über die Gestaltung der Werkzeuge für die Spritzgussteile und zeigt ebenfalls Optimierungen an, die gegebenenfalls am Produkt vorgenommen werden müssen. Ziel ist es, das Werkzeug im Vorfeld zu simulieren, um die Auslegung zu perfektionieren.

Martin Guserle: „Mit der Arbeit am digitalen Zwilling können wir heute genau ausloten, wo die maximalen Grenzen beispielsweise bei der Temperaturverteilung, dem Kontaktwiderstand und der Strombelastung liegen und überall das Optimum herausholen. Die Entwicklungsprozesse werden dadurch viel schneller, ressourcenschonender und preisgünstiger.“ LAPP hat sich schon sehr früh mit diesen Themen beschäftigt und zählt zu den führenden Anbietern, die alle möglichen digitalen Tools für Innovationen verwenden.

Design-In Prozess beim Kunden

Die Kunden nutzen heute vermehrt digitale Portale, um ihre Maschinen, Anlagen oder Werkzeuge zu konstruieren. Zur Auswahl der geeigneten Steckverbinder werden immer öfter spezielle Datenbanken wie ZUKEN und EPLAN genutzt, in denen mehr und mehr Hersteller gelistet sind. Auf diesen Plattformen bekommt der Kunde alle Informationen zum Produkt inklusive der digitalen 3-D Modelle – also den digitalen Zwilling zum eigentlichen Produkt. „Unsere Erfahrung zeigt, dass die Kunden fast nur noch Interesse am digitalen Zwilling haben und immer seltener nach physikalischen Mustern fragen. Das zeigt die Veränderung weg vom Produkt hin zu digitaler Information, weil diese beim Kunden direkt digital weiterverarbeitet werden kann“, weiß Martin Guserle.

Warum gehört dem Digitalen Zwilling die Zukunft?

Der Digitale Zwilling enthält deutlich mehr Informationen zum Produkt, als das bei einem physikalischen Produktmuster je möglich wäre. Diese gesammelten Informationen entstehen bei der Entwicklung und werden dann zum Design-In, das über den gesamten Lebenszyklus bis hin zum Recycling genutzt wird. Somit ist der digitale Zwilling die Basis für KI-Anwendungen. Diese könnten beim Steckverbinder eine Zustandsanzeige bis hin zur vorausschauenden Wartung möglich machen. Es ist bereits heute Realität, dass Produkte entstehen und weiterverarbeitet werden, die überhaupt noch nicht physikalisch erstellt wurden. Es ist außerdem absehbar, dass diese digitalen Komponenten und Systeme miteinander kommunizieren und sich gegenseitig weiterentwickeln. Der Steckverbinder ist aufgrund seines Einsatzortes und der baulichen Voraussetzung eine ideale Komponente, die, mit mehr Intelligenz ausgestattet, zusätzliche Funktionen übernehmen kann.