LAPP

Einer dieser Kunden ist beispielsweise das Nationale Zentrum für Onkologische Hadronen-Therapie in Padua, Italien. Dort steht eines von weltweit nur sechs Synchrotrons zur Tumortherapie. Dieser Synchrotron beschleunigt Atomkerne auf hohe Geschwindigkeiten, um mit ihnen schwer operable Tumore im Gehirn zu entfernen. Weil sich in dem Therapie-Gebäude Personen aufhalten, kommt das europäische Construction Products Regulation (CPR)-Gesetz ins Spiel, das seit 2017 in Kraft ist. Es gilt für alle Produkte, die fest in Gebäuden installiert werden, in denen sich Menschen aufhalten. CPR ordnet diese Produkte unterschiedlichen Klassen zu, die sich in ihrem Brandverhalten unterscheiden. Daher wurden für den Aufbau in dem Bunker, in dem das Synchrotron steht, CPR-klassifizierte Signalkabel für die Instrumentierung benötigt. Die ausführende Firma fragte bei der LAPP Tochter Camuna Cavi nach, ob sie ein Produkt empfehlen könnten, das die geforderten Eigenschaften der Datenübertragung erfüllen könne und außerdem nach CPR geprüft sei. Mit Erfolg.

Umfangreiche Tests

Im Sommer 2022 lieferte LAPP 1,6 Kilometer der Leitung FG16XHOHM16 (entspricht der deutschen Variante J-H(St)H PiMF). Hinter der Produktbezeichnung verbirgt sich eine Signalleitung, die mit isolierten Leitern auf Polyolefinbasis hergestellt und mit statischer Abschirmung versehen wurde. Sie erfüllt die Anforderungen der CPR-Klasse Ca-S1b,d1,a1, darunter EN 50399 zur Bestimmung der Abgabe von Hitze und Rauch im Flammtest, oder IEC 60332-1-2, ein Test, der die Flammenausbreitung auf einem einfach isolierten Kabel prüft. Hinzu kamen weitere Tests nach IEC 60754-2 (Bestimmung der Gase, die in der Flamme entstehen) oder IEC 61034-2 (Bestimmung der Rauchdichte).

„Uns war sofort klar, dass das das Gesetz viele unserer Kunden betreffen würde“, erinnert sich Luigi Sterli, Manager für Innovation und Technologie bei LAPP Camuna Cavi. Leider war das anfangs nicht allen Kunden klar. Viele winkten zunächst ab und behaupteten, CPR betreffe sie nicht. Ein Irrtum, wie sich bald herausstellte. Zahlreiche Kunden meldeten sich kurz darauf doch bei Camuna Cavi, weil sie CPR-klassifizierte Kabel bräuchten, so Sterli. Vor allem von Raffinerien oder aus der Chemieindustrie gebe es verstärkt Nachfrage.

Hochmodernes Prüflabor

Die Anfrage aus Pavia, wie auch von zahlreichen anderen Kunden, traf das Team von Camuna Cavi nicht unvorbereitet. Das Unternehmen betreibt schon seit Langem Prüfstände zu den oben genannten Normen und bietet bereits eine breite Palette von CPR-klassifizierten Produkten an. Weil durch CPR die Anfragen zugenommen haben, hat das Management im April 2022 entschieden, eine Halle auf dem Firmengelände zu einem hochmodernen Labor umzubauen, welches das alte Labor ersetzt. Auf 300 Quadratmetern Fläche gibt es nun alle erforderlichen Testmöglichkeiten, darunter eine vier Meter hohe Kammer, in der Kabel vertikal aufgehängt und einer Flamme ausgesetzt werden. Ein Lichtsensor misst die Dichte des Rauchgases. Das Labor führt auch Tests aus, die in CPR noch nicht gefordert sind, wie der Feuerbeständigkeitstests. Weil bei solchen Prüfungen toxische Gase und Rauch entstehen können, ist das Labor mit einem Aktivkohlefilter ausgestattet sowie mit einem Abgaswäscher.

 

Auf 300 Quadratmetern Fläche gibt es alle erforderlichen Testmöglichkeiten, darunter eine Kammer, in der Kabel einer Flamme ausgesetzt werden.
Luigi Sterli, Manager für Innovation und Technologie bei LAPP Camuna Cavi

Camuna Cavi hat die Kabel für den Synchrotron in seinen Laboratorien gemäß den folgenden Normen getestet, die von den geltenden CPR-Vorschriften gefordert werden:

  • EN 50399: Messung der Wärmeabgabe und der Rauchentwicklung von Kabeln während des Flammenentwicklungstests.
  • IEC 60332-1-2: Prüfung der vertikalen Nichtausbreitung der Flamme auf einem einzelnen isolierten Leiter oder Kabel.
  • IEC 60754-2: Prüfung der Gase, die bei der Verbrennung von aus Kabeln entnommenen Materialien entstehen. Bestimmung des Säuregrades (durch pH-Messung) und der Leitfähigkeit.
  • IEC 61034-2: Messung der Dichte des Rauchs, der von den Kabeln während eines Brandes abgegeben wird.

Alle diese Tests gewährleisten eine hervorragende Leistung in Bezug auf die Nichtausbreitung des Feuers und die geringe Emission von Halogengasen und giftigen Dämpfen

CPR für Wasserstoff-Fabrik

Luigi Sterlis Tipp: „Kümmern Sie sich frühzeitig um CPR, wenn Sie ein Projekt planen, und denken Sie nicht, das würde Sie nicht betreffen.“ Auch ein Kunde von LAPP Polen merkte schnell, dass für den Aufbau einer Wasserstoff-Fabrik in Ungarn für die benötigten fest installierten Kabel die CPR-Zertifizierung erforderlich war. Der Kunde benötigte Messgeräte- und Thermoelement-Verlängerungskabel 300V gemäß der Konstruktionsnorm EN 50288-7. Sie sollten Flammwidrigkeit nach IEC 60332-1 und CPR Klasse Eca erfüllen und einem großen Betriebstemperaturbereich von -40°/+105°C garantieren. Benötigt wurde ein ganzes Paket von einpaarigen bis zu 16-paarigen Kabeln.  Letztendlich entschied sich der Kunde für LAPP, weil er von den polnischen Kollegen in Zusammenarbeit mit Camuna Cavi ein maßgeschneidertes Gesamtpaket bekam. Andere Hersteller waren nicht in der Lage die Anforderungen in vollem Umfang zu erfüllen. Von der ersten Anfrage bis zur Auftragserteilung dauerte es nur rund sieben Monate.

LAPP betreibt schon seit Langem Prüfstände zu CPR Normen.
Das Labor führt auch Tests aus, die in CPR noch nicht gefordert sind, wie der Feuerbeständigkeitstests.

Sicherheit aus Stahl

Um absolute Sicherheit ging es auch bei einer Ölgewinnungsanlage in der Ukraine. Die Anlage verarbeitet Sonnenblumensamen, Raps und Soja zu Speiseöl und ist so leistungsfähig, dass sie bis zu eine Million Tonnen Produkte pro Jahr verbreiten aber auch lagern kann.

Für ihren Bau mussten die elektrischen Installationsregeln, die für den Elektrizitätsbereich in der Ukraine gelten, eingehalten werden. In diesem Gesetz sind die Regeln für die Verwendung von Kabeln in explosionsgefährdeten Bereichen genau festgelegt.  Vor allem in Ölförderanlagen sind die Auflagen hoch.

Zunächst hatte sich der Kunde für Standard-Kabel in vollständig abgedeckten Metallwannen entschieden. Doch als es dann an die Umsetzungsphase ging, entschied sich der Kunde doch für ein mit Stahl gepanzertes Kabel. Um diese Anforderungen des Kunden erfüllen zu können, hat Camuna Cavi in Zusammenarbeit mit den Kollegen von Lapp Ukraine eine spezielle kundenspezifische Lösung von mehradrigen Kabeln mit Querschnitten von 1 bis 185 mm² mit hoher Temperaturbeständigkeit (bis zu 105°C), abgeschirmt und bewehrt, entwickelt.

Konkret ging es um ein Kabel mit Panzerschicht und UV-beständigen Außenmantel. Es musste gemäß IEC 60332-3-22 Kat. A flammwidrig sein und sollte – falls erforderlich – auch optional mit verzinntem Kupferdrahtgeflecht als Abschirmung für Betriebstemperaturen bis zu 105°C geliefert werden. Das Team von Camuna Cavi entwickelte diese maßgeschneiderte Lösung im Eiltempo. Von der ersten Anfrage bis zur Auftragserteilung dauerte es gerade mal drei Monate.