Wer an Norwegen denkt, dem kommen mit großer Wahrscheinlichkeit zuallererst die beeindruckenden Landschaften in den Sinn, die das Land im Norden Europas zu bieten hat: Schroffe Gebirgszüge und tiefe Talschluchten, Hochplateau-Gletscher, beeindruckende Küsten – und vor allem unzählige Fjorde. In den Meeresarmen, die in das Landesinnere hineinragen, ankern täglich Schiffe und Fähren, die Menschen und Güter über den Wasserweg transportieren und – je nach Transportzweck – länger oder kürzer an den Kais der einzelnen Häfen anliegen. Und das bringt Herausforderungen mit sich, besonders für die Umwelt.
Die meisten Schiffe und Fähren werden noch mit Schweröl oder Diesel betrieben. Das ist weltweit für fast drei Prozent der globalen CO₂-Emissionen verantwortlich und enthält darüber hinaus als Rückstand aus der Erdölverarbeitung große Mengen an Schwefel. Im Jahr 2022 stieß der globale Seeverkehrssektor etwa 710 Millionen Tonnen Treibhausgase aus, zu denen Europa schätzungsweise 129.000 Tonnen pro Jahr beiträgt. Hinzu kommen die Emissionen von Ruß und Stickoxiden. Diese Bilanz allein sorgt für Kritik an der Schifffahrt. Doch auch beim Anliegen, müssen Wasserfahrzeuge ihren Strombedarf decken. Bisher wird die Stromversorgung im Hafen oftmals über das Weiterlaufenlassen der Schiffsmotoren gewährleistet. Doch gerade das verursacht CO₂ und Verschmutzungen, die eigentlich vermieden werden könnten – auch an kleineren Häfen und Liegeplätzen. So ist es kaum verwunderlich, dass die Maßnahmen nicht länger auf sich warten lassen: Ab 2026 – so der Beschluss der norwegischen Regierung – dürfen durch Kreuzfahrtschiffe, die in die Fjorde fahren, keine Emissionen mehr entstehen. Hinzu kommt eine neue Gesetzgebung für die großen EU-Häfen: Ab 2030 sind alle Verbrennungsprozesse an Kais verboten.
Strom anstelle von Treibstoff
Für solche Herausforderungen braucht es Ideenschmieden und kluge Köpfe, die an neuen Ideen, Produkten und Lösungen tüfteln. Wie zum Beispiel ZINUS AS. Das norwegische Unternehmen hat der Entscheidung der europäischen Union vorausschauend vorgegriffen: Die neue Gesetzgebung sieht vor, dass Dieselmotoren während des Anliegens am Hafen nicht mehr weiterlaufen dürfen, um Hafengewässer, Fjorde und Meere zu schonen. Das bedeutet aber gleichzeitig, dass Schiffe und Fähren ihren Strombedarf beim Anlanden auf andere Weise decken müssen. ZINUS AS entwickelt innovative Lösungen für die Stromversorgung von Wasserfahrzeugen in Häfen. Indem sie beim Anlegen Strom anstelle von Treibstoff nutzen, tragen die Lösungen zu einem umweltverträglicheren Hafenbetrieb sowie zu einer erheblichen Verringerung der Emissionen von Schiffen in Häfen bei.
Doch wie kommt der nachhaltigere Landstrom an das Schiff oder Boot? Das geht zum Beispiel mit dem Zinus Port Power. Die Landstromlösung des norwegischen Pionierunternehmens lässt sich nahtlos in verschiedene Hafenumgebungen integrieren. Der Hauptvorteil des Landstromanschlusses liegt in einem vereinfachten Kabelhandling- und Schiffsanschlussverfahren: Die Leitung kann mithilfe der Ladelösung von oben über einem Turm oder über die Reling des Schiffes auf das Deck herabgelassen werden. Wesentlich für die Lösung ist dementsprechend ein Spezialkabel, das von LAPP, dem führenden Anbieter von integrierten Lösungen und Markenprodukten im Bereich Kabel- und Verbindungstechnologie, und ZINUS gemeinsam entwickelt wurde. Es kommt nicht nur innerhalb der Landstromlösung, sondern auch bei anderen Kabelmanagementsystemen für Hafenstrom zum Einsatz.
Sonderleitung für raue Hafenbedingungen
Bisherige Landstromlösungen sahen es vor, das Kabel händisch von einer Trommel abzurollen und mit großem Kraftaufwand sowie hohem Verschleiß am Kai entlangzuziehen. Folglich wurden nur wenige Schiffe auf die neue Technologie umgerüstet und lange Zeit verfügten nur wenige Häfen überhaupt über Landstromanlagen. Hinzu kommt der Wellengang, der die Schiffe manchmal erheblich bewegt sowie der Unterschied zwischen Ebbe und Flut, der mehrere Meter betragen kann – allesamt Herausforderungen, die beide Unternehmen bei der Entwicklung der Landstromlösungen berücksichtigen mussten. „Mit dem Zinus Port Power machen wir einen großen Schritt in Richtung Nachhaltigkeit“, so Endre Eidsvik, CEO von ZINUS AS.
ZINUS bietet nicht nur den kompakten Power Port, sondern auch sogenannte Turmlösungen an. Ihre Besonderheit: Die Türme können sich um 180 Grad drehen und automatisch an Gezeitenänderungen von bis zu 10 Metern anpassen. „Das erforderte jedoch auch ein innovatives Kabel, das perfekt zu unseren Designs passt“, erklärt Eidsvik. „In LAPP haben wir einen Partner gefunden, der uns genau diese Lösung bieten konnte: Ein Kabel, das hohe Stromspannungen aushalten kann und über einen sehr kleinen Biegeradius verfügt, während es gleichzeitig sehr flexibel und so leicht wie möglich sein muss.“ Die Anwendung in der rauen Hafenumgebung erforderte darüber hinaus auch eine Leitung, die extremen klimatischen Bedingungen sowie hohen mechanischen Belastungen standhalten kann. Dazu gehören beispielsweise auch UV-Strahlung, sehr niedrige Temperaturen oder der Kontakt mit Salzwasser.
In Zusammenarbeit mit ZINUS entwickelte LAPP für diese Anwendung die sogenannte Highflex, die ihrem Namen gerecht wird. „Die Kollegen von LAPP haben die Herausforderung, vor die wir sie gestellt haben, angenommen und genau das entwickelt, was wir brauchten“, so Eidsvik. Das Ergebnis der Zusammenarbeit ist ein innovatives, leichtes, sehr flexibles und qualitativ hochwertiges Kabel, das von jedem Besatzungsmitglied leicht gehandhabt und mit dem Schiff verbunden werden kann. Boote und Fähren können mittels der Ladelösung nun innerhalb von Minuten an die Landstromversorgung angeschlossen werden. Hierbei muss es Starkstrom aushalten können.
LAPP Erfindergeist für passgenaue Lösungen
Da das Kabel in „einem losen Bogen“ vom Turm herabhängt, kann es selbst bei rauem Gezeitenwasser oder starken Schiffsbewegungen nicht abreißen. Das platzsparende Design der gesamten Lösung macht Landstrom sowohl in kleinen Häfen als auch an großen Industriekais verfügbar. „Innovative Lösungen für kundenspezifische Herausforderungen finden – das macht LAPP aus“, fasst Matthias Lapp, CEO der Lapp Gruppe zusammen. „Sie spiegeln den Erfindergeist wider, der seit jeher tief in unserer LAPP DNA steckt. Gleichzeitig zeigen sie auch, was für großartige Ergebnisse mit den richtigen Partnern möglich sind.“
In der Folge der erfolgreichen Zusammenarbeit von LAPP und ZINUS, entwickelte das norwegische Unternehmen eine dritte, autonome Ladesäulenlösung. Ihre Säule bewegt sich automatisch in die richtige Position über dem Schiff, senkt den Steckverbinder ab und schließt ihn automatisch an die Anschlussdose des Schiffes an. Das gesamte Procedere benötigt nur 20 Sekunden und eignet sich daher besonders für Fähren mit Elektroantrieb, deren Batterien schnell und effizient geladen werden müssen. Was die weitere Zusammenarbeit von ZINUS und LAPP betrifft, so wollen beide Unternehmen auch in Zukunft weitere nachhaltige Projekte angehen und sind sich sicher: Det passer som hånd i hanske1.
Eine Versorgung mit Landstromlösungen wie der von ZINUS AS ist die Zukunft der Schifffahrt und –
abseits der gesetzlichen Vorgaben – unerlässlich für Häfen, die ihren ökologischen Fußabdruck senken wollen. Norwegen ist europäischer Vorreiter in puncto Landstrom und führt die umweltschonende Variante der Stromversorgung flächendeckend ein. Nach und nach werden auch die Schiffe und Fähren folgen, deren Maschinenanlagen umgebaut oder ausgetauscht werden müssen. So wird die Idee von der sauberen Schifffahrt in den norwegischen Fjorden und Stück für Stück auch in internationalen Gewässern langsam zur Realität.
1Wörtlich: Das passt wie die Hand in den Handschuh. Sinngemäß: Das sitzt wie angegossen.