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Das Bild zeigt ein Einstiegsbild für die 22. LAPP Fachpressetage mit dem Foto des Referenten und themenspezifischen Icons.
Vortrag PD Dr.-Ing. habil. Stephan Schlegel, Kommissarischer Leiter der Professur für Hochspannungs- und Hochstromtechnik, TU Dresden bei den 22. LAPP Fachpressetagen

Moderne Hochstrom-Steckverbindungen müssen hohe Betriebs- und Fehlerströme sowie Stromimpulse sicher führen können. Dabei muss ein niedriger Kontaktwiderstand im Neuzustand erreicht und über die gesamte Lebensdauer erhalten bleiben. Dass dies nicht so einfach ist, zeigen die vielen Faktoren, die beachtet werden müssen: die Auswahl der geeigneten Leiter- und Beschichtungswerkstoffe, das Design der Geometrie von Stecker, Buchse und eventuell vorhandenen Kontaktelementen sowie das Bestimmen der notwendigen Montageparameter. Neben den grundlegenden bekannten analytischen Ansätzen können auch numerische Verfahren bei der Auslegung genutzt werden.

„Die Rolle der Steckverbindungen wird oft unterschätzt. Tatsächlich ist die maßgeschneiderte Auswahl immens wichtig für den zuverlässigen Betrieb und für eine lange Lebensdauer der gesamten Anlage“, betont PD Dr.-Ing. habil. Stephan Schlegel, Kommissarischer Leiter der Professur für Hochspannungs- und Hochstromtechnik, TU Dresden.

Bedeutung stromführender Verbindungen

In Elektroenergieversorgungsnetzen wird Leistung von konventionellen Kraftwerken und zunehmend von regenerativen Energiewandlern wie zum Beispiel Photovoltaikanlagen oder Windenergieanlagen eingespeist. Sie sind modular aufgebaut, und millionenfach installierte stromführende Verbindungen sorgen dafür, dass zuhause und in der Industrie für 24/7 elektrische Energie zur Verfügung steht. Die Ausfalldauer liegt in Deutschland derzeit bei ca. 20 min pro Jahr und wird von keinem anderen Land unterboten. Das erfordert eine hohe Zuverlässigkeit und Sicherheit vom System und damit von den Komponenten. Der Einsatz von Steckverbindungen ist dabei von zentraler Bedeutung. Vor allem bei trennbaren Anlagenteilen oder zum Ausgleich von Relativbewegungen zwischen Betriebsmitteln, beispielsweise infolge von thermischer Dehnung im Betrieb, sind sie unverzichtbar. Solche Steckverbindungen sind hochbelastete Bauteile und müssen daher zahlreiche Mindestanforderungen erfüllen.

Es geht dabei insbesondere um eine hohe Stromtragfähigkeit durch einen geringen Kontaktwiderstand, eine kompakte Bauweise durch eine hohe Leistungsdichte, hohe Einsatztemperaturen durch temperaturbeständige Leiter- und Beschichtungswerkstoffe sowie um ein stabiles tribologisches Verhalten für hohe Steck- und Gleitzyklenzahlen. All diese Faktoren sind entscheidend für eine lange Lebensdauer.

Das Bild zeigt eine technische Zeichnung von den Bauteile eines Steckverbinders.
Die Bauteile eines Steckverbinders

Steckverbindungen: Aufbau, Wirkprinzip und Anforderungen

Steckverbindungen bestehen aus zwei Hilfsverbindungen, mithilfe derer die Leiter mit dem Stecker und der Buchse verbunden werden. Diese werden mit Press-, Schweiß- oder Schraubverbindungen hergestellt. Die Hauptverbindung zwischen Stecker und Buchse kann über Kontaktelemente, Fingerkontakte oder geschlitzte Buchsen hergestellt werden. Die Auslegung muss dabei so erfolgen, dass immer eine ausreichend hohe Kontaktkraft vorhanden ist, um einen möglichst geringen Kontaktwiderstand und gleichzeitig einen geringen Reibverschleiß zu erreichen.

Das Bild zeigt eine technische Zeichnung zu den Grundlagen einer Steckverbindung.
Bewertung der Steckverbindung

Richtige Auswahl der Kontaktwerkstoffe

Das Kontakt- und Langzeitverhalten hängt wesentlich von den eingesetzten Kontakt- und Federwerkstoffen ab. Bei den Leiterwerkstoffen kommt es vor allem auf hohe elektrische Leitfähigkeit, gute Wärmeleitfähigkeit, Temperaturstabilität, hohe mechanische Festigkeit, gegebenenfalls auf Federeigenschaften und gute mechanische Bearbeitbarkeit an. Deshalb werden dafür vorrangig Kupferlegierungen verwendet. Bei den Beschichtungswerkstoffen sind eine geringe Fremdschichtbildung an der Oberfläche, gute Haftung auf dem Leiterwerkstoff, Temperaturstabilität des Gefüges, geringe Schweißneigung und hohe Verschleißfestigkeit die entscheidenden Faktoren. Für hochbelastete Steckverbindungen werden am häufigsten Kontaktwerkstoffe auf Basis von Gold und Silber eingesetzt.

Eine wichtige Rolle spielt auch die Entfestigungstemperatur des Leiter- und Beschichtungswerkstoffs als Grenzeinsatztemperatur für die Dauer- und Kurzzeitstrombelastung. Ziel ist es, durch die richtige Auswahl der Beschichtung das Kontakt- und Langzeitverhalten zu verbessern. Eine Beschichtung aus Gold, niedriglegiert mit einer Zwischenschicht aus Nickel, ist für eine physikalische Grenztemperatur von maximal 180°C empfohlen. Neue Silber-Palladium-Beschichtungen sollen sogar bis 200°C angewendet werden können. Parallel wird in der Forschung daran gearbeitet, die Beschichtungen weiterzuentwickeln, um höhere Einsatztemperaturen und damit verbunden ein stabiles Werkstoffgefüge und eine höhere Verschleißbeständigkeit zu erreichen. So kann durch den Einsatz von bestimmten Schmierstoffen in Dispersionsschichten die Steckzyklenzahl erhöht werden, indem der Reibwert zwischen den Kontaktpartnern verringert wird. Es gibt selbstschmierende Beschichtungen aus Silber mit Partikeln aus Graphit oder mit derzeit in der Forschung betrachteten Partikeln aus WS2, MoS2, SiC, Bi2S3, hBN oder SnS, die eine gute Alternative zu herkömmlichen Kontaktschmiermitteln darstellen können. Ein aktuelles Forschungsprojekt läuft dazu gerade an der Professur.

Das Bild zeigt eine technische Zeichnung von der Bewertung von Steckverbindung.
Grundlagen einer Steckverbindung

Auslegung nach physikalischem Verhalten

Um den Zusammenhang zwischen Kontaktkraft und Kontaktwiderstand zu verstehen, sind physikalische Kenntnisse zum Kontakt- und Langzeitverhalten erforderlich. Darüber hinaus kann die Finite-Elemente-Methode (FEM) – ein numerisches Verfahren, das bei unterschiedlichen physikalischen Aufgabenstellungen angewandt wird – eingesetzt werden, um bestimmte Zusammenhänge zu betrachten. Mit dieser Methode kann die elektrische und mechanische Auslegung der makroskopischen Struktur (Buchsen-, Steckergeometrie und Kontaktelement) unterstützt werden. Eine Herausforderung ist das Nachbilden des elektrischen Kontakts, um das elektrisch-thermische Verhalten richtig nachbilden zu können. Mit den Standardfunktionen der Berechnungssoftware ist dies teilweise nicht möglich. Die Technische Universität Dresden hat deshalb erweiterte Module entwickelt. Ziel dabei war es abzuschätzen, ob die mechanisch-elektrisch-thermischen Belastungen geringer sind als die Festigkeit der eingesetzten Werkstoffe bei minimalem Materialeinsatz. Besonders herausfordernd sind kurze Stromspitzen/Fehlerströme, bei denen die Wärmeleitung und / oder die Wärmespeicherung im Werkstoff dominiert. Aufgrund der in diesen Fällen inhomogenen Temperaturverteilung im Kontakt, im Vergleich zum homogen durchströmten Leiter, ist das I²t-Kriterium (Kriterium für Kurzzeitüberlastbarkeit von elektrischen Bauelementen) nicht mehr anwendbar. Für sehr kurze impulsförmige Ströme ist eine numerische Berechnung erforderlich, um den Einfluss der Wärmekapazität auf die Temperaturverteilung berücksichtigen zu können.

Das Bild zeigt eine technische Zeichnung zur Lebensdauerlinie eines Steckverbinders.
Lebensdauerlinie eines Steckverbinders

Alterung, Lebensdauer und Prüfung

Die Alterung von stromführenden Verbindungen wird durch fünf Faktoren beeinflusst: Kraftabbau (Kriechen und Spannungsrelaxation), Diffusion (Bilden intermetallischer Phasen, Kontakthaften), Reibverschleiß (Abrasion und Adhäsion), Elektromigration (Leerstellenwanderung) und chemische Reaktionen (Oxidation und galvanische Korrosion). Die Alterung führt zum Erhöhen des Kontaktwiderstands, der Verlustleistung und damit der Verbindungstemperatur an der Verbindung. Dieser Prozess beschleunigt die Schädigung der Verbindung sowie umliegender Komponenten wie etwa der Isolierung.

Die Alterungsmechanismen sind stark temperaturabhängig. Sie sind mit der Arrhenius-Gleichung berechenbar, welche die quantitative Temperaturabhängigkeit bei physikalischen und vor allem chemischen Prozessen beschreibt. Die Lebensdauer hängt aber auch stark von der Stromtragfähigkeit, von der Höhe des Stroms und von der Stromflussdauer ab. Abhängig von den Einsatzbedingungen sind spezifische Alterungsuntersuchungen notwendig, um die Lebensdauer für die Anwendung zu berechnen. Normprüfungen erfüllen diese Anforderungen nicht vollumfänglich.