LAPP
Sonderleitungen
Kundenspezifische Sonderleitungslösungen von LAPP
Hubertus Breier, CTO bei LAPP

„Es war schon immer unser Anspruch, dass wir Kundenwünsche erfüllen können, seien sie auch noch so aufwändig oder kompliziert. Das hat schon unser Firmengründer Oskar Lapp so gemacht und so handeln wir auch heute. Nur mit dem Unterschied, dass wir im Laufe der vergangenen Jahrzehnte einen riesigen Fundus an Expertise aufgebaut haben und Lösungen für nahezu jedes Kundenproblem finden“, betont Hubertus Breier, Vorstand für Technik und Innovation bei LAPP.

Allein in den vergangenen fünf Jahren hat LAPP über 200 neue Produkte auf den Markt gebracht – davon zahlreiche mit Innovationscharakter. Nur auszugsweise genannt das Zustandsüberwachungsgerät ETHERLINE® GUARD zur vorbeugenden Wartung wichtiger Datenverbindungen, die Motoranschlussleitung ÖLFLEX® SERVO FD zeroCM, die dank der innovativen zeroCM®-Technologie Ableitströme nachweislich um bis zu 60 % gegenüber konventionellen Motorleitungen reduziert, oder die Ethernetleitung ETHERLINE® FD bioP Cat. 5e mit biobasiertem Außenmantel, der aus über 40 % nachwachsenden Rohstoffen besteht.

Ergänzend dazu erfüllt LAPP individuelle Sonderlei(s)tungen für die Kund:innen. Ein einzigartig breites Spektrum an Kompetenzen macht dies möglich. Dies umfasst die Bereiche mechanische Konstruktion, Materialentwicklung und -herstellung, Kunststoffverarbeitung, Funktionale Konstruktion & Simulation, Analytik und mechanische Prüfung sowie Sensorik & IoT.

1. Mechanische Konstruktion

Der konstruktive Aufbau eines Kabels wird nach Normvorgaben und vor allem entsprechend der jeweiligen Anwendungsanforderung gestaltet. Besonders anspruchsvoll sind dauerhaft bewegte Leitungen in Schleppketten, wo die mechanische Belastung hoch ist. Solche Leitungen müssen über mehrere Jahre und über viele Millionen Biegezyklen zuverlässig funktionieren. Daher müssen alle Konstruktionsteile, angefangen von den Kupferlitzen über die Isolation, das Geflecht und den Mantel, diesen hohen Anforderungen standhalten. Für Schleppketten wird beispielsweise feinstdrähtiges Kupfer und kein Vollrundmaterial für den Leiteraufbau verwendet. Das ist deutlich biegsamer. Eine hohe Biegewechselbeständigkeit wird durch kurze Schlaglängen (die Länge der Strecke, die ein einzelnes Verseilelement für einen kompletten Umlauf benötigt) in der Verseilung erzielt. Denn je kürzer die Schlaglänge ist, desto flexibler ist das fertige Kabel. Geschirmte Leitungen erfordern zudem ein Design mit Innenmantel, um die Adern vor Abrieb mit dem Geflecht zu schützen. Auch der Schirm folgt einer kürzeren „Schlaglänge“. Wichtig ist zudem ein mechanisch robuster Mantel (z. B. aus TPU oder TPE), der flexibel und abriebfest ist und dauerhafte Biegung bei gleichzeitig dauerhaftem Kontakt mit der Schleppkette übersteht.

Auch bei Steckverbindungen spielt konstruktives Design eine große Rolle, z. B. bei den Solarsteckverbindern: Hier kommt es vor allem auf eine stabile elektrische Verbindung an, ohne Erwärmung der Kontaktstelle. Zudem benötigt der Steckverbinder eine sichere und effektive Ver- und Entriegelung. Die Auswahl geeigneter Materialien und ein passendes Design reduzieren Reibung und Verschleiß. Bei kleinstem Bauraum und größter Spannung müssen auch die Luft- und Kriechstrecken optimal ausgelegt sein. Hinzu kommt eine prozesssichere Montage – vorkonfektioniert oder vor Ort bei den Kund:innen. Um diese Anforderungen zu erfüllen, verwendet LAPP hochwertige und verschleißfeste Kontaktmaterialien mit entsprechender Oberflächenbehandlung (z. B. Korrosionsbeständigkeit) und ein optimiertes Design (z. B. vergrößerte Kontaktfläche). Zum Einsatz kommen Isolationsmaterialien mit geringer Wasseraufnahme (z. B. Vermeidung von Überschlag bei kleinstem Abstand). Und um Fehler bei der Montage zu vermeiden, entwickelte LAPP vorkonfektionierte Solarleitungen, die eine reproduzierbar hohe Qualität gewährleisten.

2. Materialentwicklung und -herstellung

Bei der UV-Beständigkeit, Flexibilität oder Nachhaltigkeit von Kabeln kommt es auf die maßgeschneiderten Kunststoffe und Additive für die Ummantelung an. Für eine Ummantelung sind bis zu 20 Rezepturbestandteile möglich. Diese Rezepturen sind das wichtigste Know-how der Kunststoff-Werkstofftechnik. Durch die sogenannte Compoundierung werden die Eigenschaften für die jeweilige Anwendung maßgeschneidert beeinflusst. Bisher hat LAPP diese Granulate von externen Herstellern bezogen. Seit kurzem verfügt das Unternehmen im indischen Bhopal über eine eigene Compoundieranlage und kann jetzt selbst Compounds zusammenmischen und damit auch „designen“. Im Fokus steht aktuell PVC. Dadurch liegt die gesamte Prozesskette von den Ausgangsrohstoffen bis zum einsatzfähigen Compound bzw. Granualt in eigener Hand. Aufgrund der notwendigen Mengen arbeitet LAPP aber weiterhin eng mit weltweiten externen Herstellern zusammen. Dieser Fokus zahlt auch auf die Entwicklung nachhaltiger Produkte ein, die LAPP mit Hochdruck entwickelt. So ging kürzlich das erste „Bio“-Produkt in Serie. Die Datenleitung ETHERLINE® FD bioP Cat.5e besteht aus einem biobasierten Außenmantel und stellt dabei die gleichen Produkteigenschaften sicher wie bei der fossilen Variante aus Kunststoff.

3. Kunststoffverarbeitung

Einfach gesprochen, besteht ein Kabel aus Kunststoffen und Metallen. Vor allem die richtige Wahl der Kunststoffe beeinflusst das anwendungsspezifische Verhalten. Hier als Beispiel: Bei der Solar- oder Schienenindustrie gelten höchste Anforderungen an das Mantelmaterial. Im Fokus stehen dabei vor allem die Standhaftigkeit gegen Sonneneinstrahlung (UV-Licht) und Feuchtigkeit, der Wunsch der Kund:innen nach reduzierten Wandstärken, nach einer höheren Strombelastung, längerer Lebensdauer und verbessertem Brandverhalten. Wenn – wie in diesen Branchen – ein normaler Kunststoff nicht mehr ausreicht, helfen Vernetzungsverfahren für die Kunststoffe, die die Lebensdauer der Leitungen erhöhen. Die dazu gehörende Elektronenstrahlenvernetzung ist ein etabliertes Verfahren, um mit ionisierenden Elektronen- und Gammastrahlen die Kunststoffe zu optimieren und zu festigen. Nach der Bestrahlung verfügen die Kunststoffe über deutlich verbesserte Eigenschaften in Bezug auf Hitzebeständigkeit, Stabilität, und Abriebfestigkeit. Hierfür hat LAPP in Korea und in Indien sogenannte Elektronenstrahlvernetzungsanlagen aufgebaut und in Betrieb. Zusätzlich zu den bereits existierenden Produktionsstätten hat LAPP im indischen Bhopal ein spezielles Dreifach-Extrudersystem etabliert, womit Kunststoffe in drei Schichten in einem Produktionsschritt extrudiert werden können. Hierzu zählen Materialsysteme wie XLPE (vernetztes Polyethylen), ZHFR (halogenfreies, flammhemmendes Compound), NYLON (stärker und dehnbarer als Polyester), EPDM (spezieller Kautschuk, wird u.a. für Schwimmbadbelage verwendet) oder EVA (Ethylen Vinylacetat, wird u. a. für Schuhsohlen verwendet).

Aber Kunststoff wird bei LAPP nicht nur extrudiert – Stückgutware wie Verschraubungen und Steckverbinder werden spritzgegossen. Beim Spritzguss von Steckverbindern oder anderen Systemprodukten, z. B. aus dem SKINTOP® Portfolio, kommen beispielsweise Mehrkavitätenwerkzeuge mit Heißkanaltechnologie zum Einsatz. Vorteil: Ein Werkzeug (Hohlform für Einspritzung der Kunststoffe) mit mehreren Kavitäten produziert mehr Teile. Das senkt die Vorbereitungszeit und erhöht die Produktivität. Heißkanalsysteme produzieren weniger Kunststoffabfälle, da der Kunststoff bis unmittelbar vor der Kavität flüssig gehalten wird.

4. Funktionale Konstruktion & Simulation

Um die vielen Steckzyklen während der Lebensdauer eines Elektrofahrzeuges abzubilden sind für die Zulassung von Ladekabeln 10.000 Steckzyklen nachzuweisen.

Hohe Steckkräfte können zu Verschleiß und Beschädigungen führen, was die Haltbarkeit verringert. Zudem kommen weitere Faktoren wie Wettereinflüsse, Temperaturschwankungen dazu, die bestimmte Anforderung an das Design stellen. Mit Hilfe der Finite-Elemente-Methode (FEM) werden Modelle für einen optimierten Ladestiftmechanismus entwickelt, wodurch auch die Wechselwirkung von Material und Kontakt berücksichtigt werden kann. Zudem unterstützt eine detaillierte Kontaktkraftanalyse die tribologische Designoptimierung.

Da es beim Einsatz von Frequenzumrichtern immer wieder zu elektromagnetischen Störungen kommt, hat LAPP die innovative zeroCM®-Technologie entwickelt, die Ableitströme nachweislich um bis zu 60 % gegenüber konventionellen Motorleitungen reduziert. Das Forschungsteam von LAPP hat hierfür zunächst ein mathematisches Ersatzmodell der Leitung entworfen und diesen digitalen Zwilling simulativ elektrotechnisch in Richtung eines elektrisch symmetrischen Kabeldesigns optimiert. Die theoretisch ermittelten Ergebnisse wurden durch experimentelle Messungen intern und mit externen Partner:innen validiert.

Darüber hinaus muss das Aderisolationssystem an den jeweiligen Anwendungsfall angepasst werden, um den in der Applikation auftretenden elektrischen Feldern standhalten, auch bei Spannungsspitzen oder Wanderwellenreflexion. Leiter mit unterschiedlichen Potenzialen und Dielektrikum bilden physikalisch einen Kondensator, dessen Kapazität bei Leitungen Signalverzerrungen begünstigt, die Signalausbreitungsgeschwindigket bremst oder Ausgangsstufen von getakteten Reglern zusätzlich belasten kann. Ziel ist daher die Optimierung der Kapazität durch passende Werkstoffwahl und Wandstärken sowie eine hohe Prozessstabilität bei der Fertigung. LAPP nutzt die 2D- und 3D-Finite-Elemente-Methode (FEM), um die Potenzialverteilung innerhalb Leitungen zu analysieren und die Feldverteilung zu verbessern. So wurden etwa die kapazitätsoptimierte ÖLFLEX® SERVO 796 CP und die ÖLFLEX® VFD SLIM entwickelt, letztere mit einer halbleitenden Schicht zur Feldhomogenisierung. Bei der Stromdichteverteilung nutzt LAPP ebenfalls FEM zur Optimierung. Durch den Skin- und Proximity-Effekt kann der Wirkungsgrad insbesondere bei großen Querschnitten auch im niederfrequenten Bereich sinken. Das FEM-Modell hilft, Leitungen optimal zu dimensionieren, Materialien zu wählen und die Strom- sowie Wärmeverteilung zu verbessern.

5. Analytik und mechanische Prüfung

Kund:innen erwarten von international agierenden Unternehmen weltweit einheitliche Qualitätsstandards. Um das zu garantieren, betreibt LAPP weltweit Labore – in Deutschland, Italien, Frankreich, den USA, Südkorea, Singapur und Indien – in Summe 13 Standorte weltweit. Sie verfügen über modernste Messtechnik und etablierte Prozesse, um maximal standardisierte Prüfbedingungen zu gewährleisten. Auch im direkten Kontakt mit Kunden werden hier Untersuchungen durchgeführt.

Bei der analytischen Untersuchung von Kabeln und Steckverbindern werden beispielsweise Bewitterungsprüfungen im Labor oder auch draußen durchgeführt, um die langfristige Widerstandsfähigkeit gegen UV-Strahlung, Feuchtigkeit, Temperaturschwankungen und andere Umwelteinflüsse sicherzustellen. Diese Freibewitterungstests helfen LAPP die hoch qualitativen Produkte für raue Umgebungen zu optimieren und „reale“ Felderfahrungen im Erprobungsversuch zu sammeln.

Beim dynamischen Lebensdauertest werden neben Energie- auch Datenleitungen, die vor allem in Schleppketten oder Robotern zum Einsatz kommen, geprüft. Hier steht die Signalintegrität trotz hoher dynamischer Dauerbelastungen im Vordergrund. Im Schleppkettentest werden die Kabel permanent überwacht und die Anzahl der Zyklen aufgezeichnet. Ein Kommunikationsmodul verknüpft diese Daten. So können die Messwerte während dynamischer Prüfungen vollautomatisch erfasst und anwendungsorientierte Aussagen über die Signalintegrität getroffen werden.

Die Beurteilung des Brandverhaltens von Kabeln und Leitungen verlangt aufwendige Prüfungen. Das europäische Construction Products Regulation (CPR)-Gesetz beschreibt strenge Auflagen für alle Produkte, die fest in Gebäuden installiert sind und in denen sich Menschen aufhalten. LAPP verfügt seit April 2022 am Standort Edolo, Italien, über ein hochmodernes Prüflabor in dem CPR-klassifizierte Kabel getestet werden. Auf 300 Quadratmetern Fläche gibt es nun alle erforderlichen Testmöglichkeiten, darunter eine vier Meter hohe Kammer, in der Kabel vertikal aufgehängt und einer Flamme ausgesetzt werden. Ein Lichtsensor misst dabei zum Beispiel die Dichte des Rauchgases. Das Labor führt auch Tests durch, welche von der CPR noch nicht gefordert sind, wie der Feuerbeständigkeitstests. Weil bei solchen Prüfungen toxische Gase und Rauch entstehen können, ist das Labor mit einem Aktivkohlefilter ausgestattet sowie mit einem Abgaswäscher.

6. Sensorik & IoT

Seit einigen Jahren hat LAPP sein Leistungsportfolio der Dienstleistungen weiter ausgebaut. Neben Konfiguratoren, kundenspezifischen Kabeln oder Konfektionen, Digital Self Services auf der Website und Just-in-time-Lieferungen gibt es seit kurzem auch IoT- und Sensorik-gestützte Services:

Viele Unternehmen geben an, keinen zuverlässigen Überblick über ihren eigenen Kabelbestand zu haben. Das LAPP eKanban ist ein intelligentes und vernetztes Kabelbestands-Management, das geringere Prozesskosten und effiziente Lagerhaltung verspricht und dabei hilft, Produktions-Stillstand zu verhindern. Das funktioniert mit einem smarten Sensor, der Datenpunkte über Rotationen an der Kabeltrommel generiert und in die Cloud sendet und so den Kunden digital und in Echtzeit Informationen zur Füllstandhöhe der Kabeltrommeln liefert. Damit lässt sich bequem jederzeit und von überall zugänglich direkt ablesen, wie viel Restlänge an Kabel noch auf der Trommel verfügbar ist.

Mit der Markteinführung des ETHERLINE® GUARDs als Überwachungsgerät für die Lebensdauert von ETHERNET basierten Datenleitungen bis 100Mbit/s hat LAPP bereits vor drei Jahren das Thema IIoT und auch Software-/Algorithmusentwicklung vorangetrieben. Mehrere Parameter werden erfasst, ohne einen zusätzlichen Sensor in die Leitung einzubringen und miteinander so verrechnet, dass eine Lebensdaueraussage getroffen werden kann. Dies wurde unterstützt durch umfangreiche Messungen in den LAPP Testzentren.

Hubertus Breier: „Diese weite Bandbreite an Kompetenzen und individuellen Sonderlei(s)tungen macht uns einzigartig auf dem Weltmarkt. Nirgendwo bekommen Kunden so viele Lösungen und Services aus einer Hand. Und wir haben noch viel vor.“