Über Single Pair Ethernet liest man derzeit viel in der Fachpresse. Der Hype ist teilweise berechtigt. SPE ist eine Zukunftstechnologie für die Digitalisierung im Produktionsumfeld. Um das zu verstehen, lohnt sich ein Blick zurück. In der Vergangenheit wurde Kommunikation in der Industrie im Fertigungsumfeld durch Feldbusse realisiert, etwa durch den Profibus, der nur 12 Megabit pro Sekunde übertragen kann und der für heutige Anforderungen viel zu langsam ist. Um die Jahrtausendwende wurde Industrial Ethernet eingeführt. Die Anwender mussten von zwei auf vier Adern gehen, was den Anschlussaufwand verdoppelt hat, außerdem wurden die Kabel komplexer, teurer und brauchten mehr Platz. Cat.6 und Cat.7 brachten die Gigabit-Datenübertragung in die Produktion, aber auch einen höheren Anschlussaufwand, weil jetzt vier Paare beziehungsweise acht Adern in einer Leitung sind.
Flache Hierarchien im Fertigungsumfeld
Single Pair Ethernet ist mehr als nur eine Rolle rückwärts. Es wurde ursprünglich für die Kommunikation im Automobil entwickelt, um Gewicht zu sparen und natürlich auch Kosten, aber auch um die Kommunikation zu vereinheitlichen und über Ethernet realisieren zu können. Schnell haben Betriebe erkannt, dass diese spannende Technologie auch im Fertigungsumfeld helfen kann. SPE bietet eine IP-basierte Vernetzung über die Automatisierungspyramide hinweg, das schafft flache Hierarchien. Man kann jede Komponente in diesem Netzwerk über IP adressieren und sich mit einem Webbrowser aufschalten, Informationen abrufen oder Einstellungen vornehmen.
„Single Pair Ethernet wird nicht alle anderen Technologien obsolet machen“, betont Ralf Moebus, SPE-Experte bei LAPP, dem Weltmarktführer für integrierte Lösungen in der Kabel- und Verbindungstechnik. Wo man Konformität zu Office-IT-Systemen brauche, werde vierpaariges Ethernet weiter Anwendung finden. Aber für die unterste Feldebene, also für Sensorik und Aktorik, sei SPE sehr interessant, so Moebus. Standard-Ethernet ist in der Automatisierungspyramide oben im Büro und bei den Servern etabliert, aber weiter unten im Fertigungsumfeld, dort wo Sensoren und Aktoren miteinander kommunizieren müssen, herrschen heute noch die Feldbusse. Das hat Nachteile, weil keine durchgängige Kommunikation vom Sensor bis ganz nach oben in das Office-Umfeld oder in die Cloud möglich ist. Die Heterogenität der Technologien macht die Planung und Installation aufwändiger. Doch SPE in der Feldebene schafft eine Kommunikation vom Sensor unten bis nach ganz oben, zu den ERP-Systemen, zu den Office-Systemen oder in die Cloud. Das ist der große Vorteil.
Reichweite bis 1000 Meter
SPE ist mittlerweile eine standardisierte Technologie, die nach IEEE international genormt ist. Es gibt drei Kerntechnologien: Gigabit-Ethernet nach 802.3ch ist fürs Automobil gedacht, aber im Fertigungsumfeld nicht so interessant, weil es nur 15 Meter Reichweite bietet. Mehr Potenzial haben dort Gigabit Ethernet, 100 Megabit Ethernet und 10 Megabit Ethernet. Die beiden ersten bieten bis zu 40 Meter, 10 Megabit lässt sogar bis 1000 Meter zu. Das ist ein echter Feldbus-Ersatz.
Bei den Leitungen gibt es drei verschiedene Typen, die sich im Querschnitt unterscheiden: AWG 26, AWG 22 und AWG 18. AWG 26 ist die dünnste Leitung, sie eignet sich für Gigabit oder für 100 Megabit bis zu einer Distanz von 40 Meter. Es gibt Varianten für feste Installation, flexible Installation oder Schleppketten und Robotik. All das ist in IEC 611563 niedergeschrieben. Wichtig ist die Variante AWG 18, die einen höheren Querschnitt hat und so bis zu 1000 Meter erlaubt, bei flexibler oder fester Installation.
Kein Kabel ohne Steckverbinder
Für SPE sind sie in der Norm IEC 63171 standardisiert. Es gibt sechs verschiedene Normenvorschläge, was für eine schnelle Marktdurchdringung ungünstig sein kann. LAPP ist Mitglied im Single Pair Ethernet Industrial Partner Network und setzt sich für die Variante IEC 63171-6 ein. Ziel ist hier diesen Steckverbinder Standard zügig am Markt zu etablieren, um Anwendern die Angst zu nehmen, aufs falsche Pferd zu setzen.
LAPP ist SPE-Pionier und führt schon Leitungsvarianten im Portfolio. Dort gibt es eine Schleppketten-Variante mit AWG26, außerdem eine Variante in AWG22 für flexible Installation – typischerweise für fest montierte Sensorik – wo die Leitung gelegentlich bewegt wird. AWG 18 ist den hohen Leitungslängen bis 1000 Meter vorbehalten.
Viele Branchen profitieren
SPE eignet sich für viele Anwendungen, wo Verkabelungsaufwand, Gewicht und Platzbedarf kritisch sind. Ein Beispiel sind Züge. Dort gibt es viele Netzwerke wie das WLAN oder Passagier-Informationssysteme. SPE spart da einiges an Gewicht. Ein weiteres Beispiel ist die Sensorik und Aktorik in der Robotik. Eine dünnere Leitung hat bessere dynamische Eigenschaften, wenn man sie ständig biegt und tordiert, wie es beim Roboter der Fall ist, dann bietet sie eine längere Haltbarkeit. Es spart Platz und Gewicht, womit der Roboter weniger Masse bewegen muss und so weniger Energie verbraucht. Ein weiteres Anwendungsbeispiel ist smarte Sensorik, wo sich SPE künftig direkt in den Sensor integrieren ließe. Der Sensor könnte mehr Informationen von sich geben, als das heute über eine diskrete Verkabelung oder über IO-Link möglich ist.
Zunehmend wird diskutiert, ob Funk nicht Kabel ersetzen kann. In diesem Fall müsste dann jedoch wieder elektrische Energie an Sender und Empfänger übermittelt werden – ein Kabel wäre also nicht obsolet. Eine Alternative würde die Stromversorgung per Batterie bieten, was jedoch nicht sehr umweltfreundlich ist und Kosten sowie hohen Wartungsaufwand verursacht. SPE bietet dabei „Power Over Data Line“, kann also Komponenten mit Strom versorgen.
Die Normen für SPE sind da, die Komponenten sind auch größtenteils am Markt verfügbar, auch Kabel und die ersten Steckverbinder gibt es schon. Jetzt gilt es, Geräte mit SPE-Schnittstelle zu bauen. Viele Hersteller arbeiten daran und es werden im Lauf des Jahres einige neue Geräte auf den Markt kommen. Ralf Moebus ist sich sicher, dass die Industrie um SPE nicht herumkommt. Dann brauche es Komponenten, die anwendungsspezifisch angepasst werden, denn eine Eisenbahn hat bspw. ganz andere Anforderungen als ein Industrieroboter. Als aktiver Treiber von SPE hat LAPP bereits zahlreiche Komponenten im Portfolio, die mit der Technologie kompatibel sind. Für diejenigen, die sich detaillierter für SPE interessieren, lohnt sich auch der Blick in das ausführliche Whitepaper zur Thematik auf der LAPP-Webseite.