LAPP
Das Bild zeigt 3 Lampen, die blaue UVC-Strahlung erzeugen.

In der aktuellen Diskussion um die Anschaffung von Luftreinigern für Schulen und öffentliche Gebäude taucht ab und zu das Kürzel UVC auf. Es bezeichnet ultraviolette Strahlung besonders kurzer Wellenlänge von 280 bis 100 Nanometer. Sie ist so energiereich, dass sie das Erbgut von Viren, Bakterien und Schimmelsporen zerstört. Deshalb wird sie immer häufiger in der Industrie eingesetzt, wo Produkte oder Oberflächen nur ohne umweltbelastende oder aggressive Chemikalien desinfiziert werden können. Das ist zum Beispiel in der Trinkwasseraufbereitung oder in der Lebensmittelindustrie der Fall oder bei Schiffen, wo das Ballastwasser desinfiziert werden muss, um keine Mikroorganismen als blinde Passagiere in andere Regionen der Erde zu transportieren. Und neuerdings eben auch in Luftreinigern oder UVC-Reinigungsrobotern, die Corona-Viren eliminieren.

UVC-Technik boomt

Wo viel Licht ist, ist bekanntlich auch Schatten. Ganz ungefährlich ist Reinigen und Desinfizieren per künstlich erzeugtem Licht nämlich nicht. Die Wissenschaft ist sich einig und stuft vor allem die kurzwellige UV-C Strahlung als gesundheitsschädlich für beispielsweise Augen, Haut sowie Erbsubstanz ein. Über die natürliche UVC-Strahlung, die von der Sonne kommt, müssen wir uns keine Gedanken machen. Sie wird von der Ozon-Schicht geblockt und von den Sauerstoff-Molekülen in der Luft absorbiert. Deshalb müssen Sonnencremes auch nur vor den energieärmeren sowie langwelligeren UVA und UVB-Strahlen schützen, vor einem UVC-Sonnenbrand sind wir natürlicherweise geschützt. Aber wie ist das mit Förderbändern, Handläufen von Rolltreppen, Fitnessstudio-Equipment, Zugwaggons, Kinos, Gaststätten, Lagerhallen, öffentlichen Wartebereichen, Aufzügen oder Büro-Räumen? Mit der Sorge vor Corona-Ansteckungen hat die UVC-Technik dort massiv Einzug gehalten. Widerstehen die Materialien, vor allem Kunststoffe, der Behandlung mit der energiereichen Strahlung?

Die Grafik zeigt den Wellenlängenbereich des elektromagnetisches Spektrums.
Wellenlängenbereich der Ultraviolettstrahlung (Quelle: Wikipedia)

Diese Frage treibt offenbar die Hersteller von UVC-Geräten zunehmend um. Seit Ende 2020 kommen vermehrt Anfragen an LAPP, wo es um die Haltbarkeit von Kabeln und Leitungen unter UVC-Strahlung geht. Die Experten von LAPP mussten sich eingestehen: So genau wissen sie das auch nicht – über die Wirkung von UVC auf Werkstoffe, vor allem auf Kunststoffe in Leitungsmänteln, ist erstaunlich wenig bekannt. Das hat mehrere Gründe: Zum einen gab es bisher keinen Bedarf aus dem Markt nach Produktlösungen, die speziell für UVC-Strahlung ausgelegt sind. Stattdessen haben Anwender wider besseren Wissens Leitungsprodukte geordert, die zumindest nach ISO 4892 UV-beständig sind. Diese Bewitterungsprüfung testet aber nur auf UVA- und UVB-Strahlung, wie sie unter freiem Himmel vorkommt. Solche Kabel sind entweder schwarz, weil ihr Mantel Ruß enthält, der sie vor einem „Sonnenbrand“ schützt, oder aus sehr hochwertigen Compounds wie beispielsweise Polyurethan gefertigt, die von Haus aus eine gute Witterungs- und UV-Beständigkeit aufweisen. Ob diese Prüfung aber auch belastbare Aussagen für die energiereichere UVC-Strahlung liefert, wurde nicht nachgefragt und konnte mangels Erfahrung auch nicht bestätigt werden. Zum anderen gibt es bisher keinen brauchbaren standardisierten Test, der die Alterung von Kabeln und Leitungen unter UVC-Strahlung prüft. Ebenso gab es bis vor Kurzem auf dem Markt so gut wie keine geeigneten Prüfgeräte, die die gewünschten Testanforderungen zufriedenstellend simulieren konnten. Bezüglich der Wirkungen von UVC-Strahlung auf die Alterung von Isolier- und Mantelkunststoffen tappte man also bisher ziemlich im Dunkeln.

Die meisten Mantelwerkstoffe fallen durch

LAPP hat das steigende Interesse zum Anlass genommen, dieser Frage einmal auf den Grund zu gehen, und hat das Projekt ULTRAFOS-C 254 gestartet. Die Zahl steht dabei für die Wellenlänge, mit der Desinfektionsgeräte üblicherweise arbeiten. UVC-Strahlung mit 254 Nanometer tötet Keime am besten ab. Mangels standardisierter Prüfnorm hat das Labor von LAPP eine Prüfprozedur entwickelt, bei der Kabel- und Leitungswerkstoffe über mehrere Wochen UVC-Strahlung dieser Wellenlänge und mit hoher Intensität dauerhaft ausgesetzt werden. Die Ergebnisse sind verblüffend und auch ein wenig beunruhigend. Es hat sich nämlich gezeigt, dass man die Resultate der bisher marktüblichen UV-Prüfungen nach ISO 4892 keineswegs auf UVC-Anwendungen übertragen kann. An der Prüfung nahmen 200 Probekörper von verschiedenen ÖLFLEX® Standardleitungen von LAPP teil, mit unterschiedlichen Mantelmaterialien: PVC, PUR, TPE ROBUST, elektronenstrahlvernetzte Compounds sowie halogenfreie Mischungen, jeweils unterschiedlicher Farben. Nach mehreren Wochen intensiver Bestrahlung wurden in einem Zugprüfgerät die Reißfestigkeit und die Dehnungswerte bestimmt sowie unterschiedliche analytische Messungen mit Hilfe von Röntgenfluoreszenz- und IR-Spektrometrie an den Materialien durchgeführt. Bei fast allen Prüflingen kam es zu erheblichen Veränderungen sowohl optisch durch starke Farb- und Oberflächenabweichungen als auch bei den mechanischen Eigenschaften. Manche dünsteten Weichmacher aus oder Additive für den Flammschutz, einige rochen unangenehm, viele wurden spröde und brachen beim Biegen. Selbst Kabel mit strahlenvernetztem Mantel, die unter anderem auch für eine hohe UV-Beständigkeit entwickelt wurden, schnitten bei der Prüfung nicht gut ab.

Das Bild zeigt das Kabel ÖLFLEX® ROBUST.
ÖLFLEX® ROBUST ist UVC-geeignet

ROBUST ist UVC-geeignet

Es gibt aber auch eine gute Nachricht: Sämtliche Kabeltypen aus der ROBUST-Serie von LAPP haben den Test bestanden. Unter diesem Namen fasst das Unternehmen Leitungsprodukte aus dem ÖLFLEX®, UNITRONIC® und ETHERLINE® Bereich zusammen, die sich besonders für den Kontakt mit Bioölen eignen. Entwickelt wurde das Mantelmaterial ursprünglich vor 25 Jahren, nachdem in den 1990er Jahren der Gesetzgeber vermehrt den Ersatz von Mineralölen durch umweltverträglichere Bioöle forciert hat. Auch damals dachte man, dass Kunststoffe, die Mineralöle aushalten, auch gegen Bioöle immun sind. Das war ein Irrtum, vielmehr können Bioöle herkömmliche Leitungsmäntel angreifen. Ähnlich verhält es sich nun auch bei desinfizierender UVC-Strahlung im Vergleich zu UVA- bzw. UVB-Strahlung. Das Material bei ROBUST ist dagegen durch seinen molekularen Aufbau und durch Additive so ausgelegt, dass ihm Bioöle und seit Neustem auch UVC-Strahlen nichts anhaben können. ROBUST-Kabel gibt es heute in vielen Varianten für Anschluss- und Steuerleitungen sowie Datenleitungen.

„Für unsere Kunden, die Leitungslösungen für Anwendungen mit UVC-Strahlung benötigen, besteht erst einmal kein dringender Handlungsbedarf“, sagt Frank Hörtnagl, Produktmanager ÖLFLEX® bei LAPP, „sie können mit unserer ROBUST-Serie viele ihrer Einsatzanforderungen abdecken.“ Dazu sei es aber notwendig, bei den Kunden, die UVC-Desinfektionstechnik herstellen oder nutzen, ein Bewusstsein für die Problematik zu schaffen. Mit geeigneten Leitungen aus der ROBUST-Serie können die Kunden von längeren Wartungsintervallen profitieren und Produkte für höhere Hygieneanforderungen herstellen. Denkbar sei laut Hörtnagl, dass LAPP eine eigene Produktlinie UVC-resistenter Kabel auf Basis von ROBUST auflegt, um den Kunden die Auswahl zu erleichtern, entschieden sei dies aber noch nicht.

Das Bild zeigt ein Portrait von Frank Hörtnagl, Produktmanager ÖLFLEX® bei LAPP
Frank Hörtnagl, Produktmanager ÖLFLEX® bei LAPP

Standardisierter Test nötig

Für den Produktmanager ist dies aber kein Grund, sich zurückzulehnen. Er arbeitet mit den Experten aus dem Labor von LAPP an Strategien, wie man weitere Produkte aus dem Portfolio UVC-tauglich machen kann. Dazu braucht es zunächst einen sinnvollen Prüfprozess. Der Test bei LAPP wurden wie gesagt selbst entwickelt, sie folgen keiner Prüfnorm. Sie könnten aber als Basis für einen künftigen internationalen Prüfstandard dienen, ob dieser Standard dann tatsächlich die Parameter etwa bezüglich Strahlungsintensität und Testdauer übernimmt, ist jedoch offen. Für Hörtnagl ist es aber in einem ersten Schritt wichtig, überhaupt ein Prüfverfahren zu haben, das vergleichende Tests ermöglicht. „LAPP ist damit Vorreiter und wir werden dabei unterstützen, einen allgemeingültigen Prüfstandard zu entwickeln.“ Dann nicht nur für Kabel, denn LAPP stellt viele weitere Produkte wie Steckverbinder, Kabelverschraubungen, Schutzschläuche und Führungssysteme oder Kabelmarkierungen her, die möglicherweise ebenfalls stark früher oder später von UVC-Strahlung in Mitleidenschaft gezogen werden. Das wollen die Experten im Labor von LAPP als nächstes untersuchen. Eines sei schon jetzt klar, so Frank Hörtnagl: „Der Unterschied zwischen UVA/UVB und UVC ist größer als gedacht – es ist wesentlich mehr als nur ein weiterer Buchstabe im ABC.“