LAPP

Christoph Loos, CEO des liechtensteinischen Werkzeugherstellers Hilti sagte 2017: „Der Kunde möchte Löcher anstelle von Bohrhämmern kaufen.“ Diese seitdem oft sinngemäß zitierte Aussage bringt auf den Punkt, was Hersteller immer stärker spüren – Technologie allein bietet Kunden noch keinen Wert, egal wie hochentwickelt sie ist. Sie muss ihnen dafür etwas nutzen, indem sie zum Beispiel ein Problem löst oder einen Zustand verbessert. Und dann ist da noch die Digitalisierung; durch sie können Kunden Maschinen nutzen, ohne diese zu kaufen. X-as-a-Service-Geschäftsmodelle, sei X Mobilität, Beleuchtung oder Zerspanung, werden immer beliebter, und das aus gutem Grund: Sie haben große Vorteile für Kunden und Anbieter.
Die Folge: Innovative, hochwertige oder günstige Produkte entwickeln und produzieren reicht nicht mehr. Unternehmen müssen überlegen, wie ihre Produkte Probleme lösen oder einen Wunsch erfüllen – oder als Service funktionieren. Die Entwicklung vom reinen Produkthersteller zum Lösungsanbieter ist dabei ein Spektrum.

Vom Produkt- zum Serviceanbieter

Das Forschungsinstitut FIR an der RWTH Aachen mit dem Schwerpunkt Service & Instandhaltung beschreibt den Weg vom Produkt- zum Lösungsanbieter in fünf Stufen.
Auf der ersten Stufe beginnt das Unternehmen als reiner Produkthersteller. Das Produkt und seine Eigenschaften stehen klar im Fokus des Geschäftsmodells und des Marketings. Falls das Unternehmen in dieser Phase bereits Dienstleistungen anbietet, erfolgt dies unsystematisch und nicht als Teil geplanter Geschäftseinnahmen. Beim Unternehmen LAPP ist unter dieser Ebene zunächst die Produktion und der Verkauf von Verbindungskomponenten wie Kabeln, Steckern und Switches zu verstehen. Dort liegt auch der unternehmerische Ursprung des Stuttgarter Weltmarktführers für integrierte Lösungen im Bereich der Kabel- und Verbindungstechnologie.
Auf der zweiten Stufe bietet das Unternehmen dann zusätzlich zum Produkt einzelne Dienstleistungen an, die für die Nutzung sinnvoll sind. Ein Beispiel von LAPP ist hier die zusätzliche Abwicklung von Logistikservices und Projektmanagement im Projektgeschäft.
Eine Stufe weiter beinhaltet Dienstleistungen als Geschäftsmodell, die zusammen mit dem Produkt integraler Bestandteil des Angebots sind, zum Beispiel ein Service, mit dem das Unternehmen für seine Kunden maßgeschneidert Lösungen und die Implementierung dieser anbietet. LAPP kann bereits bei Planungsprozessen von beispielsweise Maschinen involviert werden, woraufhin eine individuelle Anpassung und Implementierung entsprechender Verbindungskomponenten möglich wird. Spezielle Kabelkonfiguratoren ermöglichen dem Kunden mehr Flexibilität bei der Planung und Bestellung. Im LAPP Harnessing Solutions System bietet der Stuttgarter Verbindungsspezialist maßgeschneiderte Lösungen von der Auslegung, Zeichnung bis zur Konfektion und vormontierten Schleppkette.
Auf Stufe vier ist das Unternehmen bei einer Gesamtlösung angekommen. Das Produkt ist dabei nicht mehr Kernbestandteil des Geschäftsmodells. Es geht hier nun um umfassende Dienstleistungen für die Entwicklung, Herstellung, den Betrieb und die Optimierung. Hierfür bietet LAPP nun den Health Check Service für Maschinen- und Anlagenbereiche an.
Auf der fünften Stufe, und damit auf dem Gipfel angekommen, ist ein Unternehmen, das eine Gesamtlösung als Dienstleistung in einem Betreibermodell anbietet – als sogenanntes As-a-Service-Modell.

Win-Win für alle Beteiligten

Für Hersteller wie auch für ihre Kunden bedeutet so ein Wandel über die 5 Stufen viele Vorteile. Die Anschaffung neuer Maschinen ist in der Regel eine bedeutende Investition; gerade in Branchen wie der Holz- oder Metallbearbeitung, die in Deutschland vor allem aus kleinen und mittelständischen Betrieben bestehen, ist das mitunter schwer zu schultern. Und wenn die Maschinen angeschafft sind, besteht der Druck, diese 24/7 auszulasten, um die Kosten zu rechtfertigen – doch das ist nicht immer möglich.
Ein Metallbearbeitungsunternehmen, das seine Maschinen nicht mehr selbst kauft und betreibt, sondern Zerspanung als Service einkauft, kann diesen wirtschaftlichen Druck deutlich reduzieren – die nutzungsbasierte Abrechnung nimmt die Sorge vor auftragsbedingtem Maschinenstillstand und kann sogar die Produktion von Kleinserien und Einzelstücke wirtschaftlich machen. Die Anbieter der Gesamtlösung im Betreibermodell, in diesem Fall der Zerspanung, profitieren derweil davon, dass ihre Maschinen maximal ausgenutzt werden, weil viele verschiedene Kunden auf sie zugreifen.

Health Check Service für Netzwerktechnik sichert Grundlage für die Transformation

Damit solche Geschäftsmodelle funktionieren, müssen Anbieter und Kunden in großem Umfang Daten austauschen – wenn der Kunde eine Leistung beauftragt oder bezahlt und wenn der Anbieter die Nutzung verfolgt, abrechnet oder Prozesse überwacht und optimiert. Hohe Anlagenverfügbarkeit und die Vernetzung der Maschine mit übergeordneten Geschäftsprozessen und deren Produktionsdaten sind hier Voraussetzung für die Transformation im Sinne des Industrial Internet of Things (IIoT) – da setzt LAPP mit dem Servicemodell des Health Check Services für die Netzwerktechnik an.

Der Hintergrund: Laut dem Indusol Vortex Report fielen in 50 Prozent aller Fälle Maschinen im Jahre 2021 wegen Verbindungsproblemen an Steckern, Kabeln und Switchen aus, zum Beispiel durch mechanische Belastung, Alterung, minderwertige Produkte, falsche Erdung und weitere Faktoren. Und wenn Industriemaschinen und ihre Datenverbindungen ausfallen, wird das schnell kostspielig – sowie außerordentlich schädlich für nutzungsbasierte Geschäftsmodelle. LAPP will dies vermeiden: Der Health-Check-Service analysiert Ethernet- und PROFINET-Systeme, spürt aktuelle und drohende Fehler oder Schwachstellen auf und bietet Verbesserungsvorschläge. LAPP unterstützt hier nicht nur bei vorhandenen Bestandsmaschinen, sondern kann schon bei der Maschinenplanung und -Inbetriebnahme hinzugezogen werden, um wahrscheinliche Stör- und Ausfallfaktoren bereits im Vorfeld zu erkennen. Es liegt nahe, dass LAPP diesen Service anbietet; denn das Wissen ist vorhanden, ebenso die Messinstrumente und die Erfahrung. Kunden erhalten eine verlässliche Zustandsanalyse ihrer Netzwerktechnik, die eine höhere Verfügbarkeit der Maschinen und Produktionseffizienz ermöglicht; und LAPP stellt sicher, dass die passenden und zuverlässigen Komponenten eingesetzt werden – und erkennt bei individuellen Anforderungen der Kunden gegebenenfalls Bedarf an Weiterentwicklung im eigenen Produktportfolio.

Mit Angeboten wie dem Health Check Service hat LAPP bereits die vierte Stufe auf dem Weg zum Serviceanbieter erfolgreich bestritten. Der Gipfel der Transformation ist für LAPP damit zwar noch nicht erreicht. LAPP weiß jedoch: Kunden wollen effiziente Produktionsprozesse erhalten, anstatt einzelne Komponenten zu beziehen.

 
Information über den Autor

Dr.-Ing. Patrick Olivan studierte Maschinenbau an der Universität Stuttgart. Er hat in seiner Promotion im Innovationsmanagement bei der FESTO AG und mit dem Institut für Arbeitswissenschaften und Technologiemanagement (IAT) der Universität Stuttgart eine Implementierungsmethode für Ambidextrie (Beidhändigkeit) zur Steigerung der Innovationsfähigkeit entwickelt. Heute berichtet Patrick Olivan als Senior Manager Business Development Services direkt an den Vorstand für Technik & Innovation in der LAPP Holding AG, pilotiert den neuen Health-Check-Service und ist in weiteren Projekten als Innovationsmanager tätig.