Aus dem, was wir derzeit erleben, ziehen wir bei LAPP wichtige Lehren, die nur am Rande mit Digitalisierung zu tun haben:
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Dezentralität erlaubt es uns, flexibel und angemessen auf Unvorhersehbares reagieren zu können. |
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Es ist fair, zu sagen: Die Dynamik der globalen Ereignisse hat uns alle überrollt. Insbesondere die Phasenverschiebung und die Unkenntnis und mangelnde Erfahrung, wie ein pandemischer Verlauf sich tatsächlich darstellt, spielen dabei eine wichtige Rolle. Dabei sind die Länder unterschiedlich betroffen. China hat Corona wahrscheinlich bereits hinter sich, während in den USA die Fallzahlen noch immer extrem hoch sind. In vielen Ländern Europas steigen die Fallzahlen wieder. Neue Shutdowns werden verhängt und keiner weiß so richtig, wie viele „Corona-Wellen“ uns noch drohen und wie schlimm die Auswirkungen sein werden. Letztlich bleibt nur die Hoffnung, dass wir irgendwann in diesem Jahr mit Hilfe des Impfstoffs die Pandemie überwinden können. In diesem Zusammenhang haben wir auch gelernt, was VUCA (Volatilität, Unsicherheit, Komplexität, Mehrdeutigkeit) beschreiben soll und wir haben erfahren, was es heisst, wenn Vorhersagen schlicht unmöglich sind. Das gilt auch für die wirtschaftlichen Auswirkungen: Verschiedene Branchen sind unterschiedlich stark betroffen oder werden erst mit zeitlichem Verzug getroffen. Bei LAPP bedienen wir unterschiedlichste Kundengruppen in vielen Ländern, was uns wirtschaftlich resilienter macht. Aber es erfordert lokale Freiheiten, um zu bremsen oder zu beschleunigen. In Summe mussten wir Kosten einsparen, aber das muss nicht für jede Landesgesellschaft gelten. |
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Diese Dynamik hat bei LAPP dazu geführt, dass die Zahl der Abstimmungsgespräche stark zugenommen hat – virtuell natürlich. Die Kommunikation mit und zwischen Vorstand, Fachbereichen und Regionen ist in so einer Lage essenziell. |
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Wir merken aber: Die Geschwindigkeit der Ereignisse ist so hoch, dass eine zentrale Steuerung nicht funktionieren würde. Bei LAPP ist die Dezentralität systemimmanent. Das hilft uns jetzt, Entscheidungsbefugnisse dorthin abzugeben, wo Entscheidungen zu treffen sind. Eine Krise muss „bottom-up“ gemeistert werden. Unterschiedliche Länder haben unterschiedliche Wege und Anforderungen, mit dieser Krise umzugehen. Und die lokalen Geschäftsführer brauchen für ihren „Mikrokosmos“ den Handlungsspielraum, um die jeweils passende Lösung zu finden. Bei LAPP pflegen wir seit vielen Jahren den Ansatz „zentrale Koordination und dezentrales Unternehmertum“ – und das kommt uns jetzt zugute. Denn wir stellen fest: Wo man die Menschen einfach machen lässt, entwickeln sie die Motivation, in Eigeninitiative auf Basis der lokalen Gegebenheiten Lösungen zu entwickeln, die den individuellen Anforderungen tatsächlich gerecht werden. Ob das der lokale Geschäftsführer in Asien ist, der frühzeitig Mundschutzmasken anfragt, die Kollegin, die aus Eigenantrieb Inhalte für relevante Webinare entwickelt, oder Mitarbeiter mit 3D-Druck-Erfahrung, die sich Gedanken über die Produktion von Visieren zum Schutz vor Viren machen. |
Es ist wunderbar, wenn man über ein einheitliches ERP-System die Lieferkette global steuern kann und über die Online-Plattform weiterhin Waren bestellt werden. Aber die lokalen Einheiten mit ihren engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern halten das Rad am Laufen. Eine robuste Supply Chain für die ganze Welt muss klug geschaltet sein, und dafür muss man bei aller Dezentralisierung der Entscheidungsbefugnisse auch wieder aus der Landessicht herauskommen und für die globale Gruppe denken. Auch beim autonomen Fahren steuert jedes Auto selbst. Aber der Algorithmus ist zentral. Vorstand und Geschäftsführer müssen mit den Erfahrungen der Pandemie die Governance des Unternehmens überdenken.
Ein gemeinsames Wertegerüst hält ein Unternehmen stabil
In der Krise wird Loyalität und Zusammenhalt zu einem bedeutenden Stabilitätsfaktor. So bedauerlich die derzeitige Lage auch ist – wir erleben ein emotionales Zusammenrücken: Egal, wo wir leben und in welcher Position wir arbeiten. Wie Martin Luther King sagte: „We may have all come on different ships, but we’re in the same boat now.“ Und jeder von uns trägt Verantwortung dafür, dass wir auf dem richtigen Kurs bleiben. Dafür braucht es eine Kultur der Offenheit und des Vertrauens in die und von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die es ihnen erlaubt, das Ganze im Blick zu haben und dort aktiv zu werden, wo sie eine Möglichkeit dazu sehen. Jetzt zahlt sich aus, woran wir seit Jahren arbeiten: „One LAPP“.
Im Projekt „One LAPP“ entwickeln wir in Kulturteams die Voraussetzungen für eine offene Zusammenarbeit von Menschen, die gewisse Grundwerte teilen. Das zeigt jetzt seine Früchte. Die LAPP-Werte sind unser Kompass, der gerade in unsicheren, nebulösen Zeiten für Orientierung und Sicherheit sorgt. Wir erkennen klar: Manche Dinge lassen sich nicht digitalisieren. Digitalisierung ist das Medium. Doch das Potenzial kommt von Individuen, die mit Initiative und Intelligenz dieses Medium nutzen und im menschlichen Netzwerk auf den Weg bringen.
Der Mensch ist und bleibt der Erfolgsfaktor
Was mir in der jetzigen Zeit am stärksten bewusst wird, ist unser Grundbedürfnis nach Persönlichkeit. Vieles lässt sich automatisieren, künftig auch durch Künstliche Intelligenz. Doch es ist der Mensch mit seinen Emotionen und seiner Ethik, der die durch immer mehr Maschinen abgekühlte Welt lebenswert macht. Kurzfristig haben wir erfahren, wie gut wir uns auf virtuelle Zusammenarbeit einstellen konnten. Nach einigen Monaten stellen wir aber auch fest, wie aufwändig es in der virtuellen Zusammenarbeit ist, das Bedürfnis nach Zugehörigkeit („Belonging“) zu erfüllen. Als Persona wahrgenommen zu werden, die Auswirkungen des eigenen Handelns auf das Unternehmen wahrzunehmen und eine geteilte Perspektive (und Optimismus) auf die nahe Zukunft zu haben, sind klare Erwartungen unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Auch Führung hat sich daher durch diese Erfahrungen verändert, der Lernprozess dauert noch an. Um nicht missverstanden zu werden: Selbstverständlich hilft uns die Digitalisierung bei all den Dingen, die ich eben besprochen habe – sie bringt Menschen auf der ganzen Welt näher zusammen. Und sie erlaubt uns, unseren Kunden bessere Services anzubieten, wie etwa einen e-Shop oder digitale Zusatzleistungen. Gerade in der jetzigen Krise zeigen sich die Vorteile der digitalen Welt, die das Alltagsgeschäft aufrechthalten, wo es früher vielleicht ins Stocken geraten wäre.
Es ist gut vorstellbar, dass das dafür sorgt, dass Unternehmen jetzt noch mehr auf ihre Digitalisierung setzen werden als sie es vor der Krise vorhatten. Dass unsere Kunden Kabel und andere Produkte bequem per Smartphone online bestellen können, ist eine großartige Sache. Aber das können sie wahrscheinlich auch woanders, oder werden es bald können. Wodurch wir die Bindung des Kunden an uns verdienen, ist die Tatsache, dass wir im persönlichen Kontakt durch engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Anliegen unserer Kunden verstehen und ihnen dafür die passenden Lösungen und Dienstleistungen entwickeln. Und die Tatsache, dass wir dort produzieren und liefern, wo unsere Kunden sind – in 40 Ländern. Auch in einer zu Ende digitalisierten Welt sind es diese Nähe, die Lieferfähigkeit und die persönliche Beziehung zum Kunden, die den Unterschied machen werden. Unser Claim „Reliably connecting the world“ umfasst technische Lösungen und menschliche Kompetenzen.
Aus der Perspektive eines Konsumenten oder eines Mitarbeiters in einem Unternehmen ist die Digitalisierung komfortabel, effizient und bequem. Der Lockdown und die damit einhergehenden Kontaktbeschränkungen haben uns aber auch einen Vorgeschmack auf eine stärker digitalisierte Welt gegeben, einschließlich der Beobachtung, dass sich auch das Leben in Innenstädten fundamental verändern könnte. Auch bei LAPP müssen wir uns bei der Digitalisierung fragen, in welcher Welt wir leben wollen.
Die Digitalisierung ist daher nur ein Fundament für Prozessabwicklung – der persönliche Kontakt zu Kunden, Partnern und Kolleg*innen ist und bleibt der entscheidende Faktor für den Unternehmenserfolg. Wer jetzt also nur über Digitalisierung redet, der denkt zu kurz – sie ist nur das selbstverständliche Fundament. Es ist gut, dass wir dieses Fundament schneller ausbauen. Viel wichtiger ist aber, was und wie wir gemeinsam auf diesem Fundament aufbauen. Als Unternehmen wie auch als globale Gesellschaft.