LAPP
Übergabe eines Familienunternehmens: Die Brüder Alexander und Matthias Lapp im Interview
Matthias (links) und Alexander Lapp treiben die Internationalisierung voran – Großvater und Firmengründer Oskar Lapp wäre sicher stolz darauf

Matthias Lapp, wir möchten herausfinden, ob LAPP fit für die Zukunft ist. Radeln Sie noch regelmäßig zur Europazentrale nach Vaihingen?

Matthias Lapp: Ja, wenn es die Zeit zulässt. Aber manchmal habe ich abends Termine und fahre nicht direkt nach Hause, dann geht es nicht.

Sie sind also fit?

Matthias: Es geht so. Ja, ist schon okay.

Alexander Lapp, können Sie mit Ihrem Bruder mithalten?

Alexander Lapp: Nein, er war und ist der Sportlichere von uns. Aber ich fahre im Sommer auch Rad oder wir spielen zusammen Tennis oder Squash.

Und wer gewinnt da?

Matthias: Meistens ich.

Alexander: Beim Squash ziehe ich ihn manchmal ab.

Sie sind bereits einige Jahre im Unternehmen tätig. Was hat sich seit Ihrem Einstieg verändert?

Matthias: Es hat sich extrem viel getan. Vor zehn Jahren wollte ich schnell vieles verändern. Aber manche Dinge brauchen eben auch etwas Zeit.

Alexander: So ist das bei jungen Wilden wie uns. Unser Ziel ist klar: Wir setzen auf nachhaltigen Erfolg und wollen diesen kontinuierlich aufbauen.

Wo konkret mussten sie denn erkennen, dass manche Dinge einfach Zeit brauchen?

Matthias: Vor zehn Jahren waren wir ein Unternehmen, das gut funktioniert hat. Unsere Struktur und Strategie waren auf Wachstum ausgerichtet. Wir haben uns gefragt, ob wir dafür noch die richtigen Werte hatten. Nämlich die, die wir vor 20 Jahren definiert haben. Was heißt familiär? Was verstehen wir unter innovativ, kunden- und erfolgsorientiert? Wir haben unsere Werte überprüft, aktualisiert und modernisiert. Wir brauchen langfristige Ziele und Analysen, an denen wir uns entlanghangeln können. Und wir brauchen Durchhaltevermögen. Dranbleiben. Oder – wenn nötig – auch mal rechtzeitig aufhören.

Welche Werte kennzeichnen das Familienunternehmen LAPP?

Alexander: Wir definieren uns als Familienunternehmen und als Unternehmerfamilie. Wir leben unsere Werte nicht aus Tradition, sondern weil wir daran glauben. Und darauf bauen wir auf.

Matthias: Ein Familienunternehmen zu sein, ist kein Wert. Familiär schon. Das heißt, die Familieneigentümer sind im Unternehmen präsent. Wir sind zu 100 Prozent ein Familienunternehmen und werden das bleiben. Und weil wir aktiv eine Rolle im Unternehmen spielen. Zudem sind wir bodenständig. Wir sind ein schwäbisches, mittelständisches Unternehmen, das seine Entscheidung nicht an der Börse platzieren muss. Wenn wir im Familienkreis über Entscheidungen sprechen, geht es nicht darum, wie wir eine höhere Dividende erreichen, sondern darum, wie wir nachhaltig erfolgreich sein können, damit auch für die nächste Generation der Familie ein großer Wert bleibt. Die Basis der Entscheidungen ist daher eine ganz andere als bei vielen anderen Unternehmen.

Alexander: Wir übernehmen Verantwortung. Wir sind für Kunden, Lieferanten und Mitarbeiter ein verlässlicher Partner und Arbeitgeber. Wir sind eine Art Treuhänder für die nächste Generation der Familie. Unsere Werte haben sich daher mit uns nicht verändert, sondern auch wir tragen sie stolz in die Zukunft.

Wie nehmen Sie die Mitarbeiter mit in diese Zukunft?

Matthias: Unsere Mitarbeiter sind ein Schlüssel für den Erfolg. Wir sind die Familie Lapp und sie die LAPP Familie. Wir haben einen sehr guten Zusammenhalt in unseren Unternehmen vor Ort und jetzt gilt es, auch international eine große Familie verschiedener Kulturen und Denkweisen zu sein. Ein einheitliches Logo war dazu ein erster Schritt. Aber so ein Kulturwandel braucht Zeit.

Alexander: Wir möchten unsere Mitarbeiter auffordern, global mitzudenken. Es gibt viele gute Ideen in der ganzen LAPP Welt. Deshalb schaffen wir eine Kultur, die es ermöglicht, dass globale Projekte in einem beliebigen LAPP Unternehmen gestartet werden können und Verantwortlichkeiten nicht immer in Stuttgart liegen müssen.

Ist das eine Erkenntnis Ihrer Auslandsaufenthalte?

Alexander: Ich bin im sechsten Jahr bei LAPP. Mein Einstieg in Singapur war extrem wichtig, um das Unternehmen von einer anderen Seite kennen zu lernen. Der Umzug war eine meiner besten Entscheidungen.

Matthias: Meinst Du, nach Singapur zu gehen oder wieder zurück zu kommen?

Alexander: Eine Mischung aus beidem. Die Zeit dort war besonders. Es war eine asiatische Erfahrung – das Leben dreht sich deutlich schneller und digitaler. Letztendlich war auch ich ein Mitarbeiter, der lernen musste, wie dort die Prozesse funktionieren.

Waren diese gesammelten Erfahrungen ein Grund, warum bei LAPP die Nachfolgeregelung im Gegensatz zu anderen Familienunternehmen geklappt hat?

Matthias: Abwarten. Ob wir es besser machen und erfolgreich sind, werden wir in zehn, zwanzig Jahren wissen. Bei der Übergabe stehen wir am Anfang.

Dass Sie hier sitzen, ist das deutliche Zeichen, dass man ihnen diese Aufgabe zutraut.

Matthias: Ja, und das Vertrauen spüren wir auch.

Alexander: Beim Übergang zur zweiten Generation hatte LAPP eine ganz andere Größe. Heute haben wir mehr Mitarbeiter, die Organisation ist komplexer, es gibt viele etablierte Prozesse – heute lastet nicht mehr alles nur auf den Schultern der Familienmitglieder.

Kann man auf so eine Aufgabe vorbereitet werden?

Alexander: Wir wurden tatsächlich sehr früh an das Unternehmen herangeführt. Das hilft uns heute. Wir waren als Kinder regelmäßig auf Events wie Weihnachts- oder Jubilarfeiern. Das Unternehmen nimmt im Leben unserer Großmutter einen großen Raum ein. Daran hat sie uns teilhaben lassen.

Der Weg war also schon immer vorgezeichnet?

Alexander: Ja und nein. Der Wunsch war da. Es war nie eine Pflicht, sondern immer ein Angebot.

Ihre Vorgänger haben nicht so viel falsch gemacht. Haben Sie Angst vor falschen Entscheidungen?

Matthias: Wir haben verinnerlicht, dass wir nachhaltige Entscheidungen treffen müssen. Unser Vater und unser Onkel haben mehr als die Hälfte ihrer Entscheidungen richtig getroffen. Sonst stünde LAPP heute nicht da, wo wir sind. Wenn uns das auch gelingt, geht es gut weiter. Ohne Mut und Risiko funktioniert das aber nicht. Auch falsche Entscheidungen sind gute, wenn man aus den Fehlern lernt.

Alexander: Die Familie hat natürlich Erwartungen an uns. Wir versuchen aber, die Rollen stets auseinander zu halten. Wenn man sich privat trifft, wird ganz anders gesprochen als im Unternehmen.

Gibt es Geburtstagsfeiern, auf denen nicht über das Unternehmen gesprochen wird?

Alexander: Wir versuchen es, aber das gelingt uns nicht immer. Wenn wir ein aktuelles Thema haben, nutzen wir die Gelegenheit, dass alle am Tisch sitzen …

Matthias: …und lassen auch mal ein Protokoll zum Unterschreiben herumgehen. Da muss man nur aufpassen, dass keine Kaffeeflecken draufkommen.

Wurde bei diesen Anlässen auch diskutiert, warum im Mission Statement das Wort Kabel nicht mehr vorkommt?

Alexander: Wir haben uns nicht umsonst für „reliably connecting the world“ entschieden. Wir sind kein Kabelhersteller. Auch kein Kabelhändler. Wir wollen unsere Kunden glücklich machen. Unsere Großelterngeneration ist als Kabelhändler gestartet. Unsere Eltern sind in die Produktion eingestiegen, haben das Portfolio erweitert und die Wertschöpfungstiefe erhöht. Wir wollen den bereits begonnenen Weg zum umfassenden Lösungsanbieter im Verbindungstechnikbereich konsequent weiterverfolgen.

Matthias: Wir verfolgen einen innovativen Ansatz, wir möchten mehr Dienstleistungen anbieten. Warum sollen wir nicht das Lager unserer Kunden mitplanen? Wir werden uns weg vom reinen Produkt bewegen, zu finanziellen Dienstleistungen oder vielleicht sogar zu Software-Lösungen. In der Logistik haben wir eine Abteilung aufgebaut, die sich nur um neue innovative Logistikprodukte und Dienstleistungen kümmert.

Alexander: Dazu brauchen wir unternehmerisches und innovatives Denken nicht nur in der Produktentwicklung, sondern überall, beispielsweise auch im Vertrieb oder im Personalwesen.

Verändert die Digitalisierung die Unternehmenskultur bei LAPP?

Matthias: Ja, sonst würden wir nicht von einem Kulturwandel sprechen. Was passiert, wenn wir so weiterwachsen? Gibt es uns in zehn Jahren noch, wenn wir den Kulturwandel nicht machen? Es hat sich viel verändert. Wenn ich in einem Meeting sitze, bekomme ich von Kollegen deutlich die Meinung gesagt. Das ehrliche Feedback ist wichtig. Auch als Chef muss man sich Fehler zugestehen. Wir leben das vor.

Wo sehen Sie LAPP in 20 Jahren?

Alexander: Ein wichtiges Ziel ist, dass LAPP weiter unabhängig und in Familienhand bleibt.

Matthias: Wir möchten unsere Kunden glücklich machen. Denn dann kommen sie wieder. Jeder, der elektrotechnische Komponenten oder Lösungen sucht, muss zuerst an LAPP denken. Weltweit. Von unserem Service und den Dienstleistungen sollen künftig noch mehr Menschen profitieren.

Die Brüder Lapp umfassen eine verkabelte Weltkugel