Die Energieversorgung mit fossilen Brennstoffen hat keine Zukunft mehr. Um den Klimawandel zu stoppen, müssen erneuerbare Energien zügig ausgebaut werden – vor allem die Photovoltaik. Schätzungen besagen, dass 2050 in Deutschland 450 Gigawatt Spitzenleistung benötigt werden, von denen 300 Gigawatt auf Gebäuden installiert sein werden. Dort hat es jede Menge Platz – nicht nur auf Dächern. Auf Fassadenflächen stehen rund 11700 Quadratkilometer zur Verfügung, etwa die Hälfte davon an Nichtwohngebäuden. Laut dem Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE in Freiburg könnten dort in Deutschland 440 Gigawatt PV-Leistung installiert werden, also viel mehr als für die Energiewende notwendig. Die PV-Bauelemente könnten zusätzlich Funktionen wie Wärmedämmung, Wind- und Wetterschutz übernehmen. Dieses riesige Potenzial blieb bisher weitgehend ungenutzt, zu aufwändig und teuer ist die Installation.
Verkabeln in Sekunden
Abhilfe schafft das Forschungsprojekt „Standard-BIPV-System – Entwicklung von standardisierten BIPV-Bauelementen mit integrierter Systemtechnik“ (Förderkennzeichen 03EE1061A). BIPV steht für gebäudeintegrierte Photovoltaik. Es wird wie schon das Vorgängerprojekt Standard-BIPV (Förderkennzeichen 0324063A-H) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) gefördert. In diesem ersten Projekt, das von 2017 bis 2020 lief, haben die Partner unter der Leitung des Fraunhofer ISE Lösungen entwickelt, um PV-Module mit wenigen Handgriffen und ohne Fachwissen an einer Fassade zu befestigen. Eine Schlüsselkomponente ist der Steckverbinder, den LAPP entwickelt hat. Der Stecker am PV-Modul wird in das Gegenstück an der Tragekonstruktion gedrückt, wie bei zwei Legosteinen. In Sekunden ist das Modul mechanisch und elektrisch dauerhaft verbunden. Die nachträgliche Verkabelung entfällt, das spart Zeit und vermeidet Fehler.
Im Rahmen des Projektes Standard-BIPV-System, das bis Januar 2024 laufen wird, entwickelt LAPP den Steckverbinder so weiter, dass er an die meisten PV-Module passt. Dazu stimmt sich LAPP eng mit dem Forschungs- und Entwicklungszentrum der GiB Gesellschaft für innovative Bautechnologie mbH in Arnstorf ab. Der Systemintegrator kennt die Anforderungen bei der Montage der Module an einer Fassade genau.
Im Projekt nutzt LAPP außerdem eine neue ÖLFLEX® Solarleitung, die LAPP Korea eigens für Solarfassaden entwickelt hat. Sie fasst vier Adern in einem dünnen Mantel zusammen. Mussten im ersten Projekt für sechs Module noch 24 Leitungen ins Haus zum Wechselrichter gezogen werden, sind es jetzt nur noch sechs der neuen Leitungen. Dazu wurden die Steckverbinder auf der Verkabelungsseite umkonstruiert, jeder ist statt mit vier Kabeln nur noch mit einem der neuen Solarkabel verbunden. Das macht die Verkabelung im Tragrahmen einfacher und es braucht weniger Durchbrüche in der Mauer. Geplant ist zudem, Mikrowechselrichter auf die Modulrahmen zu integrieren, anstatt die Wandlung von Gleich- und Wechselstrom in großen Wechselrichtern im Gebäude vorzunehmen. „Die neue ÖLFLEX® Solarleitung ist noch kein Produkt. Das Konzept wird in Kürze fertiggestellt, und es ist geplant, es bald zur Serienproduktion zu bringen.“, sagt Werner Körner, Leiter Entwicklung und Technik bei LAPP.
Steckprinzip auch für Dachziegel
Derweil arbeitet LAPP bereits an einem dritten Projekt namens Baldachin mit, das ebenfalls vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) gefördert wird. Dabei geht es um die „Entwicklung eines innovativen Solardachelements – kostengünstig, schön und einfach zu installieren“ (Förderkennzeichen: 03EE1115A). Dort entwickelt das Unternehmen einen Steckverbinder zur einfachen Montage von Photovoltaik-Dachziegeln. Die Lösung soll es Dachdeckern ermöglichen, die Solarziegel ohne Werkzeug und ohne Spezialwissen aufs Dach zu legen. Für den Ausbau erneuerbarer Energien hätte das enormes Potenzial: Etwa die Hälfte aller Dächer in Europa hat eine Neigung von mehr als sieben Prozent, viele davon sind mit Ziegeln aus Ton oder Beton gedeckt und damit geeignet für solche Solarziegel.
Mit dem Projekt Baldachin sowie mit dem universellen Verbindungssystem für Fassaden, das derzeit im Projekt Standard-BIPV-System entwickelt wird, arbeitet LAPP an praktikablen Lösungen, um Gebäude als Quelle für erneuerbare Energien zu erschließen. Werner Körner: „Damit leistet LAPP einen wichtigen Beitrag zur Energiewende.“