Die vernetzte Industrie verändert sich kontinuierlich. Das Zukunftsinstitut benennt zwölf globale Megatrends, die auf alle Ebenen der Gesellschaft einwirken und somit auch die industrielle Verbindungstechnik beeinflussen. Zwei dieser Trends – die Konnektivität und die Individualisierung – sind hierbei die größten Entwicklungstreiber. Die Konnektivität beschreibt das Prinzip der Vernetzung auf der Basis digitaler Infrastrukturen. Für die Industrie bedeutet das zum Beispiel, dass unter dem großen Schlagwort „Industrie 4.0“ immer mehr Sensoren in Maschinen integriert werden, dass Fernzugriff und Echtzeit-Datenverfügbarkeit ermöglicht und Maschine-zu-Maschine-Kommunikation zunehmend wichtiger wird. Der zweite Trend, die wachsende Individualisierung, zielt im persönlichen Kontext insbesondere auf Selbstverwirklichung ab. Aber auch im Industrieumfeld ist eine starke Tendenz zur Individualisierung zu beobachten. Das führt dazu, dass Anlagenbetreiber auf ihre Anforderungen zugeschnittene Maschinen benötigen und diese daher in Losgröße 1 entwickelt und gefertigt werden müssen.
Diese beiden Megatrends – Konnektivität und Individualisierung – beeinflussen auch die Verbindungstechnik enorm: Sie muss robuster, standardisierter und deutlich kleiner werden. Schließlich gilt es, auf dem gleichen Bauraum immer mehr Verbindungen zu realisieren. Ohne Miniaturisierung und Leistungsverdichtung ist das nicht möglich.
Auch LAPP, Weltmarktführer für integrierte Lösungen im Bereich der Kabel- und Verbindungstechnologie, muss sich dieser Herausforderung stellen, denn Komponenten wie Kabel und Steckverbinder sind ebenfalls diesem permanenten Veränderungsprozess unterworfen.
Im Bereich Kabel lautet die Lösung beispielsweise Single Pair Ethernet. Doch was ist mit den Steckverbindern? Welchen Einfluss haben Standardisierung und Miniaturisierung auf die Entwicklung, oder befindet sich die Entwicklung von Steckern bereits am Limit?
„Ich bin fest überzeugt davon, dass bei den Steckern noch viel Luft nach oben ist. Die Miniaturisierung und die steigende Konnektivität sind ein Entwicklungstreiber in der Industrie. Das wird auch in der Verbindungstechnik zu einer Leistungsverdichtung und weiterer Standardisierung führen“, betont Georg Stawowy, Vorstand Innovation und Technik, Lapp Holding AG.
Bei LAPP ist der Stecker schon seit jeher tief in der DNA des Stuttgarter Familienunternehmens verwurzelt. Bevor das Unternehmen 1959 gegründet wurde, arbeitete Oskar Lapp (1921-1987) zunächst bei einem namhaften Marktführer für Industriesteckverbinder, wo er die Vertretung für Süddeutschland übernommen hatte. Bereits dort fiel er durch seine innovativen Ideen auf. So entwickelte er für das Unternehmen den ersten rechteckigen Steckverbinder.
Von Anfang an positionierte das Gründer-Paar Oskar und Ursula Ida Lapp sein Unternehmen als „One-Stop-Shop“ in der Verbindungstechnik – das Prinzip „Alles aus einer Hand“ ist bis heute ein Erfolgsrezept. Deshalb bot LAPP schon bald nach der Markteinführung der ersten industriell gefertigten ÖLFLEX® Anschluss- und Steuerleitung auch Steckverbinder unter dem Markennamen EPIC® (Environmental Protected Industrial Connectors) an. Mit der weltweiten Einführung der maßgeschneiderten Konfektionslösungen unter dem Namen LAPP Harnessing Solutions wird das Thema Stecker auch für LAPP immer wichtiger. Wurden elektrische Verbindungen früher festverdrahtet, verlötet und dann oft lange Zeit nicht mehr angerührt, übernehmen ihren Platz nun Steckverbinder, die sich tausende Male lösen lassen und immer wieder verlässlichen Kontakt herstellen.
Heute verfügt LAPP über ein flexibles System an Rechteck-, Rund- und Solarsteckverbindern aus extrem robusten Gehäusen, Kabeln, Einsätzen und Kontakten, die ein einfaches und sicheres Verbinden und Trennen von Kabeln und Leitungen ermöglichen. Im Portfolio von LAPP stehen alle gängigen Arten von Steckverbindern zur Verfügung. Allein mit dem EPIC® Gehäusekonfigurator können Anwender ein individuelles Industriestecker-Gehäuse mit Verriegelungskonzept und Kabeleinführung zusammenstellen. Insgesamt 138 Millionen unterschiedliche Konfigurationen sind möglich. Beim besonders robusten Rechtecksteckersystem EPIC® MH lässt sich der Steckerrahmen sowohl mit Steckermodulen von LAPP als auch mit Modulen des Marktstandards bestücken, wobei die Montage deutlich einfacher ist als bei den üblichen Klapp- und Schieberahmen. Der Anwender hat nahezu unbegrenzte Kombinationsmöglichkeiten: 2 bis 36 Pole, Ströme bis 100 Ampere, Spannungen bis 1.000 Volt, Daten mit Bandbreiten bis Cat.7.
Mit dem EPIC® Gehäusekonfigurator können Anwender ein individuelles Industriestecker-Gehäuse mit Verriegelungskonzept und Kabeleinführung zusammenstellen
Für die Übermittlung digitaler Daten (Signal, Power + Hybrid) hat LAPP die Rechteck- und Rundstecker im Portfolio. Standards sind die Gewindegrößen M23, M17 und platzsparende M12-Stecker. Als quasi Standard im Servo-Bereich sind sie extrem robust und verfügen über eine gute EMV-Schirmung. Des Weiteren zu erwähnen sind insbesondere Wetter- und UV-beständige Solarstecker mit sicherer Verriegelung und langer Lebensdauer, der Datenstecker RJ 45 sowie Stecker für Glasfaserleitungen für die Gebäudeinfrastruktur mit hohen Datenraten.
Doch was sind die Perspektiven für den Stecker? Einerseits nimmt die Konnektivität durch immer mehr Funktionen (Sensoren, Condition Monitoring, Fernzugriff etc.) und Leistung in den Maschinen kontinuierlich zu, andererseits nehmen die Bauräume in Maschinen ab oder bleiben zumindest gleich. Das erfordert, wie oben erwähnt, notwendigerweise auch die Miniaturisierung der Steckverbinder. Doch so einfach ist es nicht. Die Physik zeigt den Steckverbindern auch ihre Grenzen auf. Denn um eine maximale Stromstärke zu erzielen, ist die Kontaktdicke entscheidend – im Zuge der Miniaturisierung eine ganz besondere Herausforderung. Eine maximale Spannung wird vor allem durch zwei Faktoren beeinflusst: Die Luftstrecke definiert den Abstand von Leiter und Leiter, je größer der Abstand ist, desto größer ist die Spannung. Hinzu kommt die sogenannte Kriechstrecke. Dabei handelt es sich um die Verbindung entlang des Isolators, die abhängig von der Verschmutzung die Spannung beeinflusst.
Aber was bedeutet das für die Leistung von Steckverbindern? Aktuell stehen die Rundsteckverbinder von LAPP (M12 bis M58) für Stromstärken von 12 bis 150 Ampere zur Verfügung. Die Herausforderung besteht nun darin, die bisherigen Limits mit konstruktiven Innovationen zu durchbrechen. Der neue M12L Stecker bewältigt nicht nur Stromstärken von 16 A (statt vorher 12 A), sondern er ist auch der kleinste M 12L Stecker der Welt (siehe Vortrag Martin Guserle).
Neben der Konnektivität stellt die zunehmende Individualisierung den zweiten wichtigen Trend dar. „Dieser führt zu einer steigenden Variantenvielfalt und Modularität sowie zu einer hohen Standardisierung bei unseren Kunden“, weiß Georg Stawowy. Losgröße 1 ist das Ziel. Deshalb sollten die eingesetzten Stecker so einheitlich wie möglich sein. Die Fertigungssysteme müssen immer flexibler werden. Das verlangt eine einfache Rekonfigurierbarkeit der Module, die nur durch standardisierte Stecker erreicht werden kann.
Auch das Thema Funk und 5G vs. eine physikalische Verbindung mit Kabel und Stecker wird immer wieder diskutiert. Es ist klar, dass in Zukunft Funk und Kabel in Fabriken nebeneinander koexistieren werden. Leitungen und Steckverbinder bleiben jedoch dort erste Wahl, wo eine schnelle und störungsfreie Kommunikation in industriellen Prozessen unabdingbar ist, etwa zur Übermittlung von Sensordaten in Echtzeit oder für die Zuführung von Energie zu den Antrieben. Wo Datenzuverlässigkeit und Latenz entscheidend sind, führt an der Steckverbindung kein Weg vorbei. Ein weiterer Pluspunkt: Leitungsgebundene Verbindungen sind weniger anfällig für Angriffe von Hackern als drahtlose Verbindungen. Die kabellose Verbindungstechnik wird kabelbasierte Systeme und Steckverbinder also nicht verdrängen, sondern höchstens ergänzen.
Doch wo geht die Reise hin? Immer öfter wird die Idee diskutiert, eine einfache Verbindung von Modulen mit einem einfachen Kontaktinterface – also bspw. durch bloßes Auflegen des anzuschließenden Moduls auf die Maschine – zu realisieren. Was dagegen spricht: In der Industrie werden besonders robuste Verbindungslösungen benötigt, welche Temperatur, Schmutz und Vibration standhalten. Ohne Stecker ist das unmöglich.
Fazit: Steigende Konnektivität und zunehmende Individualisierung sind die Entwicklungstreiber für die Verbindungstechnik. Damit die Steckverbindung im Industrieumfeld auch weiterhin die Lösung der Wahl bleibt, muss sich diese hinsichtlich Miniaturisierung, Standardisierung, Leistungsverdichtung und Robustheit deutlich weiterentwickeln.