LAPP
Das Bild zeigt ein Portrait von Boris Katic, COO LA EMEA bei der U.I. Lapp GmbH
Boris Katic, COO LA EMEA bei der U.I. Lapp GmbH

„Noch nie in meiner Laufbahn war ich mit so vielen Force Majeur Events konfrontiert. Denn parallel zu den zahllosen Störungen der internationalen Versorgungswege erlebt die Weltwirtschaft seit Sommer 2020 einen enormen Aufschwung. Das Resultat ist eine extreme Verknappung quasi aller Rohstoffe und Produkte: Die Einkaufspreise explodieren, fast täglich senden uns Lieferanten angepasste Preislisten“, beschreibt Boris Katic, COO LA EMEA bei der U.I. Lapp GmbH, die täglichen Herausforderungen.

Ein Beispiel sind Kunststoffe, die LAPP für die Ummantelung der Kabel und Leitungen braucht. Im Vergleich zum Oktober 2020 liegen die Preise der verschiedenen Kunststoffe heute zwischen 30 % bis 70 % höher. Grund dafür ist ein erheblicher Engpass bei den relevanten Vormaterialien. Dadurch war für LAPP auch die Verfügbarkeit von Silikon kürzlich fast komplett abgerissen. Aufgrund der CO2-Reduktionsbestrebungen in China wurden zeitweise große Produktionsstätten heruntergefahren. Die Knappheit entsteht aber auch durch den großen Wettbewerb. Neben LAPP greifen viele verschiedene Industrien – von der Kosmetikbranche bis zur Textilwirtschaft – auf dieselben Rohstoffe zu. Gleichzeitig gibt es zum Beispiel für Polyurethan (PUR) weltweit nur sehr wenige Produzenten. Extreme Preissteigerungen sind das Resultat.

Boris Katic: „Die Versorgungslage ist unglaublich angespannt. Aber das Supply Chain Management hat sich gut vorbereitet, um auch noch in einem schwierigen Marktumfeld erfolgreich zu beschaffen.“ Gut gepflegte Lieferantenbeziehungen und extrem flexible, eigene Werke sind der Schlüssel.

LAPP hat für viele Materialien langfristige Rahmenverträge und so war die Verfügbarkeit besser als die vieler Wettbewerber. Der Weltmarktführer für integrierte Lösungen im Bereich der Kabel- und Verbindungstechnologie hat bereits vor ein paar Jahren das Risikomanagement sehr ernst genommen und Partnerlieferanten identifiziert, mit denen entsprechende vertragliche Vereinbarungen getroffen wurden. Das hat geholfen. In der Anfangsphase der Krise 2020 hat LAPP sich kontinuierlich sehr eng mit seinen Lieferanten abgestimmt. Boris Katic: „Täglich gab es viele Calls – teils saßen unsere Gesprächspartner im gläsernen Vorstandsbüro, teils am gemeinsamen Küchentisch – und wir sind sämtliche Produktgruppen durchgegangen, um Lösungen zu finden.“

Auch die Partnerlieferanten profitierten davon – denn es sind Partnerschaften in guten und in schlechten Tagen. Im Abschwung Anfang 2020 hat LAPP sichergestellt, dass die Lieferanten so stark wie möglich auslastet werden und nicht mehr leiden als LAPP selbst. Dafür revanchieren sie sich heute, indem sie LAPP im Zweifel bevorzugt beliefern. Die Kombination aus eigenen Werken und Partnerlieferanten ergibt ein extrem flexibles Versorgungsnetzwerk.

Persönlicher Einsatz & enge Zusammenarbeit

In Verhandlungen mit Lieferanten ist LAPP kompromissbereit: So werden auch Mehrmengen abgenommen, oder die Waren selbst abgeholt. Wenn nötig geht auch LAPP gemeinsam mit Partnerlieferanten auf Einkaufstour: „Natürlich haben wir trotzdem manchmal das Nachsehen gegen ganz große Player, wie beispielsweise große Sportartikelhersteller, aber insgesamt konnten wir unseren Lieferanten klar machen, dass wir ein spannender Wachstumskunde sind“, bilanziert Boris Katic. Unterstützt wird das Supply Chain Management vom „Sensors in the Market“-Team, wodurch LAPP rasch auf Veränderungen im Markt reagieren kann.

Diversifizierung für eine resiliente Supply Chain

Strategisch setzt LAPP aber auch auf Diversifizierung. Ziel des Unternehmens ist es, dass für jede Produktgruppe mindestens zwei Lieferanten zu akquirieren sind, sodass jeder Standort auf der ganzen Welt flexibel beliefert werden kann. Diese Bemühungen zeigen bereits Erfolge: Beispielsweise hat LAPP im Bereich Industrial Communication in den vergangenen 12 Monaten vier neue Lieferanten qualifiziert und die Anzahl somit verdoppelt.

Um die gestiegene Nachfrage nach Verbindungslösungen bewältigen zu können, war vor allem ein internationaler Chemiekonzern ein wichtiger Partner. Er ist der wichtigste globale Lieferant. Das Unternehmen ist auf jedem Kontinent vertreten und kann jedes LAPP Werk von mindestens zwei Standorten mit PVC beliefern.

Software scannt Lieferanten

Bei der Suche nach neuen Lieferanten setzt LAPP auf eine Artificial Intelligence Lösung: Diese Software kann in Hochgeschwindigkeit das Internet durchforsten, findet Lieferanten auf der ganzen Welt und bewertet sie. So identifiziert sie zum Beispiel innerhalb von Stunden 5.000 potenzielle Leitungslieferanten in China und generiert dann eine Liste mit den vielversprechendsten 30 möglichen Lieferanten. Diese kann das Einkaufsteam dann gezielt angehen.

Das Potenzial, das hier für LAPP schlummert, ist unglaublich: Zuletzt verfügte LAPP in der Region LA EMEA über insgesamt rund 240 qualifizierte Lieferanten für alle 25 Produktgruppen. Mithilfe der Artificial Intelligence Lösung konnte LAPP für eine einzige Produktgruppe nur innerhalb von Europa mehr als 60 neue, potenzielle Lieferanten identifizieren. Ziel ist es, die Lieferantenbasis für alle Produktgruppen deutlich zu erhöhen.

LAPP geht davon aus, dass der internationale Wettbewerb um Rohstoffe auch in Zukunft eine große Herausforderung sein wird. Ein Lösungsansatz wäre laut LAPP ein optimiertes Produktdesign. Ein Kabel hält heute in vielen Anwendungen oft länger als die Maschinen, in denen es eingesetzt wird. Für Verbindungslösungen stelle sich die Frage, ob die gleiche Funktionalität mit 20 Prozent weniger Material sichergestellt werden könne, trotz der bestehenden Normen. „Wir müssen uns fragen, ob wir es uns in Zukunft noch leisten können, Produkte herzustellen, die so überdimensioniert sind“, appelliert Boris Katic.